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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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dass ich mich total edel, nützlich und
selbstlos fühlen kann!«
    Bei seinen
letzten Worten lachte er mich aufmunternd an.
    Ich war nicht
überzeugt.
    »Aber Lisa…«
    »Du solltest
sie gut genug kennen, um zu wissen, dass sie sich sauwohl fühlt, wenn sie
Geschwindigkeitsrekorde bei der Abfahrt aufstellen kann. Dabei braucht sie mich
nicht. Wir treffen die beiden doch später wieder. Und jetzt komm, wir üben noch
ein bisschen.«
    Er stieß sich
mit den Stöcken ab und ich kam für die nächsten beiden Stunden in den Genuss
von hervorragendem Privatskiunterricht. Ich war im Gegensatz zu heute Morgen
total aufgekratzt und fühlte mich gleichzeitig sehr entspannt, da Lucas eine
Engelsgeduld mit mir hatte. Wir lachten viel und nahmen uns gegenseitig verbal
auf den Arm. Die Zeit verflog nur so und plötzlich stellte ich fest, dass es
kurz vor zwölf war und wir uns wieder mit Paul und Lisa treffen mussten.
Während wir auf den verabredeten Treffpunkt zusteuerten, bedauerte ich, dass
unsere Zweisamkeit zu Ende ging. Insgeheim bildete ich mir ein, Lucas fände
mich mehr als sympathisch, da er freiwillig den ganzen Vormittag mit mir
verbrachte. Mit jeder Frau hätte er das sicher nicht getan, oder?
    An der
Liftstation angekommen schnallten wir unsere Skier ab. Dankbar vertrat ich mir,
soweit das in den klobigen Stiefeln möglich war, die schmerzenden Beine, stand
neben Lucas und beobachtete ehrfürchtig die sportlichen Fahrer, die den
Steilhang der schwarzen Piste herunter schossen. Der Neid in mir hob sein
hässliches Haupt, als ich mühelos meine Freundin in ihrem enganliegenden
dunkel-hellblau gestreiften Skianzug schon von weitem erkannte. Sie wedelte in
kurzen präzisen Schwüngen wie eine Skirennläuferin genau in der Falllinie den
Berg herab. Fröhlich winkte sie uns mit einem Skistock zu, bremste mit einem perfekten
Einkehrschwung direkt vor Lucas, so dass der Schnee in einer Fontäne aufstob
und strahlte uns mit glänzenden Augen und roten Wangen begeistert an.
    »Einfach
super heute! Der Schnee ist klasse und es ist nicht so überlaufen, dass man
seine Zeit mit Anstehen verplempern muss. Paul kommt auch gleich, der ist knapp
hinter mir aus dem Lift gestiegen.«
    Lucas trat
auf sie zu, nahm sie in die Arme und dann küssten sich beide völlig ungeniert
eine gefühlte Ewigkeit lang. Gut, wahrscheinlich dauerte dieser Kuss
allerhöchstens eine halbe Minute, aber mir kam er entsetzlich lang vor. Meine
bis eben noch euphorische Stimmung sank in sich zusammen wie ein angestochener
Luftballon. Wie konnte ich auch nur eine Sekunde glauben, Lucas fände etwas Besonderes
an mir? Er war lediglich hilfsbereit und nett zu mir gewesen, hatte aber jetzt
nur Augen für seine und meine Freundin. Kurz darauf kam Paul direkt vor mir zum
Stehen. Auch er wirkte - glücklicherweise - begeistert und gut gelaunt.
Wunderbar, wenigstens drei von uns genossen diesen Tag, von dem ich hoffte, er
sei bald vorüber, in vollen Zügen.
    Lisa und Paul
schlugen vor, dass wir in einer nahegelegenen Hütte, die über einen Zweiersessellift
zu erreichen war, zu Mittag essen könnten. Lisa wandte sich an mich.
    »Tessa, die
Abfahrt von dort ist auch für dich zu bewältigen. Ist zwar eine rote Piste,
aber nur ein kürzeres Stück mit Buckeln drin. Da fährst du einfach langsam
runter.«
    Lucas
zwinkerte mir unbemerkt beruhigend zu. Ich hoffte, das sollte bedeuten, dass er mir über diese rote Piste mit den Buckeln helfen würde.
    Wenig später
saßen Paul und im Sessellift, Lisa fuhr mit Lucas in der Gondel direkt vor uns.
Sie hielten Händchen und Lisa schmiegte sich an ihn. Warum nur verspürte ich
immer noch jedes Mal diesen dumpfen Schmerz in meiner linken Brusthälfte, wenn
die beiden Zärtlichkeiten austauschten?
    So langsam
solltest du kapiert haben, dass sie zusammengehören! Du hast Paul!
    Ja, ich hatte
Paul, der mich gerade rund machte, weil ich zwei volle Stunden mit Lucas
gefahren war und ihn mit Lisa, »die wie eine gesengte Sau rast, der man ständig
hinterher hecheln muss«, alleingelassen hatte. Ihre hervorragenden Fahrkünste
hatten seinem Selbstbewusstsein offensichtlich einen gewaltigen Dämpfer
versetzt und jetzt ließ er seinen Frust an mir aus. Seine gute Laune eben war
nur geheuchelt gewesen.
    Wütend schoss
ich zurück:
    »Du hättest
ja auch bei mir bleiben können, anstatt schnurstracks auf die schwarze Piste zu
zusteuern. Du weißt genau, dass ich nicht gut fahre. Lucas hat wenigstens
Rücksicht genommen.«
    Mit

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