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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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lieber?«, erkundigte er
sich scheinheilig.
    Ich trat die
Flucht nach vorn an.
    »Lucas, mir
war gestern Nachmittag langweilig und ich dachte mir, ich sehe kurz bei Lisa
vorbei. Ich hab dann gesehen, dass sie mit euch beschäftigt war und da fiel mir
vor Johanna nur die blöde Ausrede mit dem Zucker ein. Eigentlich wollte ich
gleich wieder verschwinden. Aber Johanna hat mich einfach beschlagnahmt.«
    So, jetzt
hatte ich wenigstens Lisas Kopf gerettet. Dachte ich.
    Er lachte.
    »Du brauchst
Lisa nicht in Schutz zu nehmen. Sie hat mir abends, als wir allein waren,
gebeichtet, dass sie dich in ihrer Verzweiflung um Hilfe gebeten hat.«
    Herzlichen
Dank auch, Lisa! Dafür, dass ich jetzt als Schwindlerin dastehe!
    Er spürte
meine Verlegenheit. Für einen Mann hatte er verdammt viel Einfühlungsvermögen.
    »Tessa, ich
bin euch nicht böse. Es war vielleicht ein bisschen viel verlangt, Lisa ein
ganzes Wochenende lang mit Johanna und Tim zu konfrontieren. Und ich finde es
ungeheuer loyal, wie du Lisa unterstützt und verteidigst. Und wie du gestern
mit den Kindern umgegangen bist, war auch ganz toll von dir.«
    Das wurden jetzt
ein bisschen zu viele Lobeshymnen. Damit konnte ich - gerade bei ihm - nicht
souverän genug umgehen. Vor allem hatte er ja keine Ahnung von meiner
wirklichen "Loyalität". Von meinen geheimen Sehnsüchten und
schmutzigen Gedanken, die allein ihm galten. Und wenn es nach mir ging, würde
er davon auch niemals etwas erfahren. Ich blickte auf meine Uhr und sprang
erschrocken auf.
    »Oh Gott, in
fünf Minuten kommt mein nächster Patient. Ich muss sofort los.«
    Er war
ebenfalls aufgestanden.
    »Geh nur,
Tessa, du bist eingeladen. War wirklich nett, mit dir zu plaudern. Bis zum
nächsten Mal.«
    Er umarmte
mich, ich bekam die obligatorischen Wangenküsschen und registrierte die
neidischen Blicke zweier Frauen am Nebentisch, die Lucas mit Blicken
verschlangen.
    Kein Grund
zur Aufregung, Ladies. Der ist bereits vergeben, wenn auch leider nicht an mich!
     
    Der, an den
ich vergeben war, rief mich am folgenden Tag abends an. Seit Samstag hatte ich
von ihm nichts mehr gehört.
    »Tessa, hier
ist Paul. Wir ersticken hier gerade in Arbeit, deshalb melde ich mich erst
heute bei dir.«
    Entgegen
meiner sonstigen Gewohnheit, ihn freudig zu begrüßen, schwieg ich. Mir ging
immer noch sein unsensibles, herrisches Verhalten vom Wochenende nach. Wann
interessierte er sich eigentlich einmal für meine Belange? Irritiert darüber,
dass ich nichts sagte, rief er ungeduldig:
    »Tessa? Bist
du noch dran?«
    »Ja, Paul,
ich höre dich gut. Was willst du?«
    Bisher hatte
ich in unserer Beziehung vieles hinuntergeschluckt. Er war es gewohnt, dass ich
nach unseren Meinungsverschiedenheiten sehr schnell wieder einlenkte und bereit
war, einfach neu anzufangen. Aber momentan ging das nicht. Ich hatte keine Lust
auf Verstellung. Sollte er sich doch zur Abwechslung mal etwas Nettes einfallen
lassen, um mich davon zu überzeugen, dass ihm etwas an mir lag.
    Aber so viel
Empathie war Paul fremd. Halb verärgert, halb verwundert über meine
Kurzangebundenheit erklärte er:
    »Tessa, hör
zu. Dieses letzte Wochenende ist dumm gelaufen. Aber wir haben uns doch
ausgesprochen. Vergessen wir das Ganze einfach. Hast du heute noch etwas vor
oder kann ich zu dir kommen?«
    Ich konnte
mich nicht an eine wirkliche Aussprache erinnern. Wir hatten nachts im Bett
ewig unsere Standpunkte verteidigt, ohne zu einer echten Einigung zu kommen und
gegen Morgen hatte er mich dann einfach geküsst und wir hatten halbherzigen
Versöhnungssex miteinander gehabt. Wie gesagt, halbherzig. Nicht den von der
leidenschaftlichen Sorte, wenn man sich ordentlich gefetzt hat, dieses
Adrenalin dann plötzlich in sexuelle Lust umschlägt und man wild übereinander
herfällt.
    Ich wurde wütend.
"Das Ganze einfach vergessen" war typisch für ihn. Er nahm nichts von
dem, was ich ihm vorgeworfen hatte, ernst. Jetzt hatte er vermutlich Druck -
klar, am Wochenende war ja nicht viel gelaufen - und ich sollte wieder schön
brav in meiner Wohnung auf ihn warten und ihn entsprechend verwöhnen.
    Wieder schoss
mir Lucas durch den Kopf. Der unternahm - außer dass er mit ihr ins Bett ging -
sehr viel mit Lisa. Paul wäre nie auf die Idee gekommen, mit mir freiwillig ins
Museum, zu einer Sportveranstaltung oder gar einem Popkonzert zu gehen. Lisa
hatte mir erzählt, Lucas hätte für sie beide Karten für ein Maroon-Five-Konzert
in der Olympiahalle ergattert, welches in fünf

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