So unerreichbar nah
Wochen stattfand. Ich liebte den
Stil dieser Band, eine Mischung aus Pop, R&B, Soul und Gospel und hatte
viele ihrer Songs auf CD gebrannt. Paul mochte Maroon Five nicht. Deswegen war
es für ihn völlig ausgeschlossen, mir für das lange angekündigte Konzert Karten
zu besorgen. Auf meinen diesbezüglichen Vorschlag hin - als er mich nach meinen
Weihnachtswünschen gefragt hatte - wurde mir erklärt, "man müsse meinen
schlechten Musikgeschmack ja nicht noch aktiv unterstützen". Stattdessen
hatte ich einen Gutschein fürs Kino, einen Karton Winzersekt und neues
Sexspielzeug bekommen. Damit hatte er seinen guten Geschmack hinreichend
bewiesen.
Ich räusperte
mich. Obwohl ich heute keinerlei Lust verspürte, weder darauf, ihn zu sehen
noch auf sonstige lustvolle Aktivitäten mit ihm, wollte ich nicht gleich das
Kind mit dem Bade ausschütten. Also formulierte ich meine Absage elegant und
heuchelte:
»Ach Paul,
tut mir leid. Aber heute geht es wirklich nicht. Ich treffe mich nachher mit Lisa.
Wir gehen miteinander ins Fitness-Studio zur Zumba-Stunde. Sie bequatscht mich
schon lange, dass ich einmal mitmachen soll und heute habe ich mich von ihr
breitschlagen lassen.«
Dass ich mich
exakt in diesem Moment entschieden hatte, Lisas Angebot anzunehmen, musste er
ja nicht wissen. Er kapitulierte.
»Na schön,
dann viel Spaß bei eurem Herumgehüpfe. Pass auf, dass du dir dabei nichts
verzerrst. Ich ruf dich übermorgen wieder an.«
Für wie alt
hielt er mich? So unsportlich war ich nun auch wieder nicht. Erleichtert
darüber, seinen Besuch abgewendet zu haben, schickte ich Lisa eine SMS und
teilte ihr mit, ich hätte nun doch Zeit und würde mich in einer Stunde mit ihr im
Studio treffen.
Bisher hatte
ich mich diesen Gruppentrainings, die so exotische Namen wie Indoor-Cycling, Spinning,
Fit4Fight, Winter-Step oder Zumba trugen, konsequent verweigert und nur an den
Geräten trainiert. Ich war eher der Typ Individualsportler und verspürte nicht
das Bedürfnis, mich mit zehn anderen zusammen auf einem Trimmfahrrad nach
Kommando abzustrampeln oder mich bei irgendwelchen komplizierten
Tanzchoreografien zu blamieren. Auch sah ich keinen Sinn darin, mich für einen
Fight fit zu machen, da ich nicht vorhatte, anderen gegenüber handgreiflich zu
werden. Und Winterschritte machte ich lieber in der freien Natur beim
Spazierengehen. Aber Lisa schwor auf ihre Zumba-Stunden.
Eineinhalb
Stunden später hatte ich meine Vorurteile, zumindest was Zumba anging, komplett
über den Haufen geworfen und wackelte wie alle anderen in dem überfüllten
Trainingsraum ekstatisch mit den Hüften, tanzte die Schrittkombinationen der
Vorturnerin nach und ließ mich von den südamerikanischen Rhythmen mitreißen. Entgegen
meiner Erwartungen - ich erinnerte mich an frühere Aerobicstunden - waren
Teilnehmer fast aller Altersgruppen vertreten und sie trugen überwiegend
lässige Sport-Kleidung, nicht wie von mir insgeheim befürchtet, neonfarbene
hautenge Trikots.
Unsere
Vortänzerin, bekleidet mit einem grünen T-Shirt und schwarzen Sporthosen, war
schätzungsweise fünf bis zehn Jahre älter als ich, hatte eine Figur, die man
wohlwollend als recht üppig bezeichnen konnte sowie eine Wahnsinnskondition,
ein Rhythmusgefühl und eine Körperbeherrschung, um welche sie Jennifer Lopez
beneiden würde. Die Frau explodierte beim Tanzen förmlich und steckte uns mit
ihrem Temperament und ihrer Begeisterung alle an.
Nach der
Stunde war ich völlig fertig, fühlte mich aber großartig. Ich hatte
buchstäblich allen Frust und Ärger aus mir heraus getanzt. Nachdem Lisa und ich
geduscht hatten, tranken wir an der Bar einen Fruchtcocktail und Lisa freute
sich sichtlich, mich endlich zu ihrer Lieblingssportart überredet zu haben.
»Siehst du
Tessa, deine gesamten Befürchtungen waren umsonst. Und du kannst es. Du bewegst
dich total locker und rhythmisch. Wenn wir gerade bei Bewegung sind: Lucas und
ich wollen am kommenden Sonntag einen Tag lang zum Skifahren gehen, solange es
noch Schnee in den Bergen gibt. Komm doch mit Paul zusammen mit. Zu viert ist
es noch lustiger.«
Und schon waren,
dank meiner wohlmeinenden Freundin, zwei meiner rosa Elefanten - mittlerweile
zählte ich Paul auch dazu - wieder präsent! Wo ich gerade so locker und
entspannt wie lange nicht mehr, an nichts Böses gedacht hatte. Meine Elefanten
vermehrten sich geradezu explosionsartig. Wenn ich nicht achtgab, würde ich
rasch eine ganze Herde mein eigen nennen dürfen.
Ich
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