So unerreichbar nah
irgendwelchen Liedzeilen meine zwiespältigen
Gefühle sehr treffend beschrieben.
Zwei Tage
später las ich, gemütlich in meinen Lesesessel gekuschelt, abends in einem
Thriller, als genau an der Stelle, wo der Mord passierte, mein Handy klingelte.
Geistesabwesend angelte ich danach, nahm ab und murmelte meinen Namen. Als ich
Lucas dunkle Stimme am anderen Ende hörte, waren sämtliche Tat-Details
unwichtig geworden. Ich klappte das Buch zu und richtete mich kerzengerade
auf.
»Tessa, störe
ich gerade? Wir haben uns ja schon länger nicht mehr gesehen. Wie geht es dir
denn?«
Das
erwartungsvolle Kribbeln im Bauch, das ich jedes einzelne Mal verspürte, wenn
ich ihn hörte oder sah, war sofort wieder da.
»Hallo Lucas.
Mir geht es schon wieder ganz gut, die Krücken brauche ich nicht mehr. Und
nein, du störst nicht. Ich bin gerade am Lesen.« Frech fügte ich hinzu:
»Nein, nicht
das, was du denkst. Ich lese einen Thriller!«
Sein leises
dunkles Lachen brachte mich beinahe zum Weinen. Warum zum Teufel sehnte ich
mich von allen Männern, die es auf dieser Erde gab, ausgerechnet nach dem einen,
den ich nicht haben konnte?
»Tessa, ich
bin gerade bei Lisa.«
Ach, wie
schön für euch beide!
»Und sie hat
mir erzählt, dass du keinesfalls mit mir ins Konzert gehen möchtest. Jetzt bin
ich aber echt enttäuscht von dir. So wie ich hörte, magst du die Musik. Also
kann es ja nur an meiner Person liegen, oder?«
Lisa,
jetzt bringe ich dich wirklich um. Und zwar noch bevor du nach New York fliegen
kannst.
Ich schlug
meinen schönsten Therapeutentonfall an, geduldig und überlegen, obwohl mir
genau gegenteilig zumute war.
»Lucas, ich
habe Lisa bereits gesagt, was ich davon halte. Sie soll diese New York-Sache
ein andermal durchziehen. Da gibt es sicher noch viele Gelegenheiten. Und du
gehst mit ihr ins Olympiastadion.«
Ich sah ihn
förmlich vor mir, wie er mit seinem ironischen Grinsen den Kopf schüttelte.
»Ich habe
Lisa eben erklärt, sie solle ruhig nach Big Apple fliegen, da eine nette junge
Dame, der ich Privatskistunden gegeben habe, zum Dank mit mir zu M. Five gehen
wird. Ich wusste ja nicht, dass du so undankbar sein kannst.«
Okay, jetzt
reichte es mir. Ich hatte wirklich alles getan, um diesen Kelch an mir vorüber
gehen zu lassen. Wenn die beiden unbedingt mit dem Feuer spielen wollten,
bitte. Ich würde für nichts mehr garantieren. Engelchen klatschte begeistert
Beifall, als ich erklärte:
»Na schön,
wenn du damit die Bezahlung deines Skiunterrichts einforderst, dann muss ich
wohl mitgehen.«
Ich konnte
mir den darauffolgenden Satz nicht verkneifen. Ich wusste, Lucas mit seinem
umwerfenden Humor bekäme ihn nicht in den falschen Hals.
»Aber das
eine sag ich dir: So gut kann dieser Unterricht nicht gewesen sein, wenn man an
das bittere Ende dieses Tages denkt!«
Er brüllte
beinahe vor Lachen.
»Du hast
völlig Recht. Es war zu wenig. Wir werden unsere Stunden fortsetzen müssen!
Aber zuerst gehst du mit mir aus.«
Nachdem er
mir gesagt hatte, um welche Uhrzeit er mich an diesem Freitag abholen würde,
legten wir auf. Und ich war wieder voll im Lucas-Drogen-Rausch…
SCREAM
Am Tag des
Konzerts hatte ich mir ab mittags freigenommen. Ich wollte mich ungestört
meiner Vorfreude hingeben. Der auf das Konzert, aber mehr noch der auf das
stundenlange Zusammensein mit Lucas. Ich hatte die ganze Woche nichts von ihm
gehört und war wie immer teils froh, teils traurig darüber gewesen.
Um drei
nachmittags stand ich unschlüssig vor dem auf meinem Bett ausgebreiteten Inhalt
meines Kleiderschranks.
Ich wollte
umwerfend aussehen: Nicht zu aufreizend, aber auch nicht zu züchtig. Auf jeden
Fall so, dass Lucas das Wasser im Mund zusammenlaufen sollte.
Ich erinnerte
mich an den Abend bei Lisa, als sie mich hilfesuchend nach oben gebeten hatte,
um für den ersten Abend mit Lucas das richtige Outfit zu finden. Und ich
verstand jetzt vollkommen, warum sie sich entgegen meinem Rat für das
aufreizende kleine Schwarze entschieden gehabt hatte. Unwirsch verdrängte ich
den niederschmetternden Gedanken an meine Freundin, für deren Lover ich mich
jetzt aufstylte…
Pünktlich um
sieben klingelte es an meiner Tür. Ich hatte vor lauter Aufregung ein
staubtrockenes Gefühl im Mund und mein Herz schlug Trommelwirbel in der Brust,
als ich öffnete. Lucas stand, in Jeans, weißem Hemd und schwarzer Lederjacke
vor mir und lächelte mich an. Wie jedes Mal bei seinem Anblick fühlte ich
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