So unerreichbar nah
Five- Konzert statt, für das er mir Karten geschenkt
hat. Aber wenn ich ehrlich bin, will ich lieber in die USA. Das ist eine
einmalige Chance für mich. Unsere Agentur ist in ein großes weltweites Netzwerk
eingebunden. Wolfgang besucht die amerikanische Mutterfirma zu einer Art
Informationsaustausch und er hat mich eingeladen, mitzukommen. So etwas darf
ich mir doch nicht entgehen lassen!«
Ich hätte
meine Freundin in diesem Moment kaltblütig erwürgen können. Das musste man sich
erst einmal geben: Da hatte sie - nach langem Suchen - endlich ein
Prachtexemplar von Mann wie Lucas gefunden, und anstatt ihn im übertragenen
Sinne festzuhalten, wollte sie jetzt lieber ihre Karriere vorantreiben. Während
ich mich buchstäblich auf den Kopf stellte, um ihre Beziehung nicht zu
gefährden. Das Sprichwort: "Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs
Eis" schoss mir unwillkürlich durch den Kopf.
Ich wusste, dass
sie von mir eine Bestätigung ihrer Ansicht erwartete. Ich sollte ihr zureden,
ihre Chance in New York wahrzunehmen. Stattdessen hielt ich ihr eine
Standpauke, die sich gewaschen hatte.
»Lisa, hör
mir zu und zwar ganz genau. Willst du ernsthaft riskieren, dass sich deine
große Liebe anderweitig umsieht, nur weil du glaubst, diese eine Woche in New
York sei deine große Chance? Du hast mir erzählt, dass seine frühere Beziehung
wegen der Karrieregeilheit seiner Freundin zerbrochen ist. Du hast einen tollen,
gutbezahlten Arbeitsplatz und musst nicht zwingend ins Ausland. Wenn du Lucas
wirklich liebst, dann lass Wolfgang allein fliegen und geh mit Lucas auf dieses
Konzert!«
Eigensinnig
lamentierte sie weiter und beharrte darauf, dass sie Wolfgang, der fest mit
ihrer Begleitung rechnete, jetzt nicht vor den Kopf stoßen konnte.
Jetzt wurde
ich endgültig sauer.
»Und was ist
mit Lucas? Den kannst du vor den Kopf stoßen, ja? Der stand ja auch nur drei
Stunden lang frühmorgens für eure Karten an, wie du mir erzählt hast!«
Kleinlaut
entgegnete sie:
»Ja, verdammt
Tessa, das weiß ich doch alles. Ich hab ja auch ein ziemlich schlechtes
Gewissen.«
Und dann -
nach einer kurzen Pause - folgte ein freudiger Aufschrei.
»Ich hab´s.
Tessa, du kannst doch mit Lucas anstelle von mir zu dem Konzert gehen. Oh
bitte, tu mir den Gefallen! Ich weiß, dass er dich liebend gerne mitnehmen
wird. Und dann kann ich auch beruhigt sein, dass er von keiner anderen
angemacht wird. Du passt in dieser Woche auf ihn auf!«
Ich fiel
beinahe von meinem Stuhl. Jetzt war meine Freundin vollends verrückt geworden!
Nicht genug damit, dass sie ihr männliches Sahneschnittchen einfach eine Woche
lang allein lassen wollte, nein, jetzt sollte ausgerechnet ich auf ihn
aufpassen! Das war im vorliegenden Fall damit gleichzusetzen, einer hochgradig
Schokoladensüchtigen eine Tafel Milka zur Aufbewahrung in die Hand zu drücken. Den
Bock zum Gärtner machen, hieß das bekannte Sprichwort zu diesem Verhalten. Aber
Lisa hatte leider Recht damit, dass Lucas bei mir sicher wäre. Die Angst, ich
könne mich vor ihm gnadenlos blamieren, wenn er von meinen pubertären
Schwärmereien erfuhr, würde mich vor Dummheiten bewahren.
Ich war drauf
und dran, Lisa knallhart ins Gesicht zu sagen, was ich für Lucas empfand. In
letzter Sekunde hielt mich meine Vernunft davon ab. Unser Verhältnis würde nie
wieder so unbeschwert sein wie bisher. Zudem würde Lisa es Lucas erzählen und
allein bei diesem Gedanken krümmte ich mich innerlich. Ich beendete das
Gespräch energisch.
»Das kommt
überhaupt nicht infrage, Lisa. Ich werde garantiert nicht die Anstandsdame für
deinen Freund spielen. Ganz abgesehen davon, dass du nicht über seinen Kopf
hinweg entscheiden kannst, ob er mich überhaupt mitnehmen will. Mein letztes
Wort zu deinem Vorschlag: Nein! Bleib du von New York da und geh selbst mit ihm
hin.«
Kaum hatte
ich aufgelegt, stützte ich verzweifelt meinen Kopf in beide Hände. Fast
wünschte ich mir, Lisa und Lucas würden - natürlich ganz ohne mein Zutun -
auseinandergehen. Würden diese verdammten Komplikationen denn nie aufhören? Es
klang so verlockend: Lucas und ich zu zweit auf dem Konzert meiner
Lieblingsband! Engelchen schüttelte traurig den Kopf über meine Sturheit. Zur
Strafe - für wen? - hörte ich den ganzen restlichen Tag Songs von Maroon Five, angefangen
von "Wake Up Call", "This Love" und "Misery» bis hin
zu "One More Night". Und stellte dabei erstaunt fest, dass sämtliche
Lieder entweder im Titel oder in
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