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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Wind trug Kindergeschrei und Badelärm bis zu diesem abgelegenen Flecken. Dühnfort dachte an sein Segelboot, die Sissi, die nur wenige Kilometer entfernt am Starnberger See am Steg lag. Für einen Augenblick beschlich ihn das Gefühl, dass er nie wieder dort sitzen und das Knattern der Segel im Wind hören würde, nie wieder das Gefühl von Freiheit und Schwerelosigkeit empfinden würde, das sich einstellte, sobald der See offen vor ihm lag, die Wasserfläche sich weitete, er alleine mit sich und seinen Gedanken war.
    »Das wird eine Schlepperei, bis wir das ganze Equipment dort haben«, murrte Buchholz, der bereits zwei Alukoffer mit Ausrüstung trug. Er wies mit dem Kinn zum Holzhaus. Es war klein und spitzgieblig und benötigte dringend eine Schutzlasur. Der Steg mündete in eine Plattform, die das Bootshaus wie ein U umgab. Gina sperrte das Vorhängeschloss an der Tür auf, die sich knarrend und mit quietschenden Angeln öffnete. Im Schilf raschelte es. Ein Blesshuhn erschien, schwamm bis zur Plattform vor dem Eingang und legte den Kopf schief, als überlegte es, ob von diesen seltsamen Männern in ihrer weißen Vermummung Gefahr ausging.
    Dühnfort lief zum Ende des Stegs. Es war mit einem Eisentor gesichert, an dem ebenfalls ein Vorhängeschloss hing.
    Ein weißer Schaufelraddampfer glitt in Richtung Herrsching über den See. Am gegenüberliegenden Ufer erstreckten sich auf sanften Hügeln Wiesen, Felder und dunkle Wälder; ragten Maibaum und Zwiebelturm aus einer Ansammlung weißer Häuser und roter Ziegeldächer. Am Horizont verschwammen schneegekrönte Alpengipfel in blauem Dunst.
    Dühnfort beugte sich über das Tor und sah ins Wasser. Es war nur knietief. Zur Seeseite war das Bootshaus im unteren Bereich offen, lediglich das Giebeldreieck war mit verwittertem Holz verschalt. Eine Jolle lag vertäut und mit einer Persenning geschützt am Steg im Inneren.
    Dort erschienen nun Gina und Buchholz. Dühnfort ging zurück und betrat ebenfalls das Gebäude. Der Raum lag im Halbdunkel. Ein muffiger Geruch hing in der Luft, Wasser schlug dumpf an das Boot. Eine Plattform von etwa vier Meter Breite reichte von der Tür bis zum Wasser. An der Wand neben der Eingangstür lagen Eimer und Taue, eine alte Boje und Gummistiefel. Zwei Südwester hingen an einem Haken. Daneben führte eine Leiter zu einer Klappe im Zwischenboden.
    Während Gina und Buchholz den Raum und die Jolle in Augenschein nahmen, kletterte Dühnfort die Leiter hinauf, stemmte die Luke auf und erreichte ein winziges Zimmer mit schrägen Wänden. Ein Fenster zur Seeseite ließ ein wenig Licht herein, darunter stand ein Bett, das mit einer geblümten Tagesdecke abgedeckt war. Dühnfort schlug sie zurück. Frische weiße Wäsche. Ein Schrank und eine Kommode mit Handtüchern, Hosen und Sweatshirts. Auf dem Boden ein bunter Flickenteppich. Alles sah sauber und ordentlich aus. Eine Tür Richtung Landseite führte in eine spartanisch ausgestattete Küche, die ebenfalls penibel aufgeräumt war. Ein kleiner Kiefernholztisch und zwei Holzstühle, eine Anrichte mit Geschirr für zwei Personen, eine Kochplatte, eine Kaffeemaschine. In den Schubladen billiges Besteck, ein kleines Gemüsemesser, mehr nicht.
    Dühnfort setzte sich. Jana und Nadine waren sicher nicht hier gewesen. Zu wenig Raum, um das Gedicht in Szene zu setzen, keine passenden Requisiten und viel zu wenig Licht, um die Inszenierung zu fotografieren und dann zu malen. Keine Farbtube, keine Leinwand, kein Pinsel. Rein gar nichts. Dühnfort kletterte die Leiter wieder hinunter. Unten untersuchte Buchholz gerade mit einer mobilen Tatortleuchte einen der Plastikeimer. Es war ein blauer Putzeimer mit Metallhenkel. »Sieh dir das mal an.«
    Dühnfort bemerkte nur eine kleine Wasserlache. Buchholz deutete jedoch auf die Außenseite. »Das meine ich.« Er wies auf einige kleine dunkle Spritzer. »Fischblut ist das vermutlich nicht. Es gibt hier nämlich kein Angelzeug, oder hast du da oben dergleichen entdeckt?«
    Dühnfort verneinte.
    Buchholz füllte den Wasserrest in ein Laborglas ab und beschriftete das Etikett.
    »Es kann noch nicht lange her sein, dass der Eimer benutzt wurde, sonst wäre das Wasser längst verdunstet«, überlegte Dühnfort.
    Buchholz deutete auf einen zweiten blauen Eimer, der neben der Leiter stand. »Die beiden steckten ineinander. Diese Pfütze hier war also luftdicht abgeschlossen.« Zwei Putzeimer für ein derart winziges Häuschen? »Wo ist eigentlich Gina?«
    »Sie sieht sich

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