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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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draußen um.«
    Dühnfort ging hinaus. Die Sonne blendete ihn. Am Ende der Plattform entdeckte er Gina. Sie lag bäuchlings auf den Planken und angelte etwas aus dem Wasser, das sich unter dem Steg verfangen hatte. Als sie es erwischt hatte, stand sie auf und hielt das Fundstück hoch. Es sah aus wie ein Streifen Stoff. Wasser lief daraus hervor und tropfte auf das Holz. Gina zog ihn mit beiden Händen auseinander. Es war ein halterloser weißer Strumpf, dessen verstärkter Rand rosa schimmerte. Ein zufriedenes Lächeln glitt über ihr Gesicht.
    ***
    Vier Stunden später betrat Dühnfort mit Gina einen der Vernehmungsräume. Fuhrmann würde jeden Augenblick gebracht werden.
    Inzwischen lagen Ergebnisse vor. Die Blutspritzer am Putzeimer ließen sich Nadine und Jana zuordnen. Im Putzwasserrest gab es Blutspuren von Jana. Der Strumpf war von derselben Art wie die beiden, die man bei den Leichen gefunden hatte. Die Spurenlage verdichtete sich. Allerdings war das Bootshaus nicht der Tatort.
    Selbst mit der gründlichsten Reinigung gelang es nicht, Blut vollständig zu entfernen. Buchholz und seine Leute hatten jeden Winkel des Häuschens mit einer Mischung aus Luminol und Wasserstoffperoxid eingesprüht. Diese machte auch kleinste Reste von Blut sichtbar, wenn sie anschließend mit einer speziellen Leuchte angestrahlt wurden. Nichts. Nadine und Jana waren an einem anderen Ort ermordet worden. An einem Ort, der Dühnforts fester Überzeugung nach mit einem Bett, einem Nachtkästchen und Flakons ausgestattet war sowie mit einer Kristallvase, in der ein Blumenstrauß welkte.
    »Leitest du die Befragung?« Gina sah knapp an ihm vorbei.
    Normalerweise tat er das. Weshalb also diese Frage? Glaubte sie, er würde da nicht richtig reinbeißen, weil er Zweifel hatte? »Möchtest du das übernehmen?«
    »Ehrlich gesagt: Ja.«
    Dühnfort lehnte sich im Stuhl zurück und betrachtete den Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Wieder stellte sich das Gefühl ein, kostbare Zeit zu verlieren, einer falschen Fährte zu folgen. »Gut. Ich schicke dir Alois.« Er stand auf und fing Ginas verblüfften Blick auf. Offenbar hatte sie damit nicht gerechnet und verließ den Raum.
    Er stieg eine Etage höher und traf Alois im Büro an. Der beendete gerade ein Telefonat und sah auf, als Dühnfort eintrat. »Buthler erreiche ich auf dem Handy nicht. Es geht immer nur die Mailbox ran. Einen Flug nach München hat er im fraglichen Zeitraum nicht gebucht. Jedenfalls ist er auf keiner Passagierliste. Aber es gibt ja noch Autos und die gute alte Deutsche Bundesbahn.
    »Wie geht es mit den Handschriftenproben voran?«
    »Von den Frauen, die bei Buthlers Auktion waren und auch im Atlantic wohnten, hat keine diese Karte geschrieben. Wir sind jetzt dabei, Vergleichsproben von den restlichen Auktionsbesucherinnen einholen zu lassen. Das sind etwa fünfzig, die über die ganze Republik verteilt leben. Das wird noch dauern.« Alois stand auf und streckte sich.
    »Gina braucht bei Fuhrmanns Vernehmung Verstärkung. Das übernimmst du.« Dühnfort hatte keine Lust auf eine Rechtfertigung und hielt Alois’ fragendem Blick stand. »Sie wartet bereits auf dich.«
    »Okay. Ich bin schon unterwegs.« Alois griff nach seinem Sakko und verließ das Büro.
    Nachdenken konnte Dühnfort am besten, wenn er allein war. Deshalb verließ er das Präsidium, trat auf die Ettstraße und überlegte, wo er ungestört wäre. Zwei ruhige Orte fielen ihm ein: der Dom und die Leseinsel einer nahe gelegenen Buchhandlung, die allerdings bald schließen würde.
    Er betrat den Dom gemeinsam mit einer Gruppe Touristen.
    Stille Kühle umfing ihn, ein schwacher Duft nach Weihrauch hing in der Luft und der von Kerzen. Leise Stimmen und Schritte, gedämpftes Licht, ab und an ein Husten und das kurze Aufflackern eines Blitzlichts, wenn jemand trotz Verbots fotografierte.
    Dühnfort suchte sich einen Platz in einer der Bänke des Seitenschiffs und blickte auf die Statue eines Heiligen, von dem er nicht wusste, wer er war.
    Angenommen, Fuhrmann war unschuldig, wer hatte dann sein Auto gestohlen, es mit Beweisen präpariert und so entsorgt, dass es gefunden werden musste? Fuhrmann glaubte keine Feinde zu haben und traute niemandem Derartiges zu. Serge Buthler, René Fuhrmann, Jobst Wernegg – diese drei verband eine Leidenschaft für alte Gemälde. Wieder erschien in Dühnforts Vorstellung ein Bild in altmeisterlicher Manier, in dessen Zentrum sich der marmorweiße Torso einer Frau auf

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