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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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fahre ich nach Paris und will natürlich auch die Unterwelt fotografieren. Insiderinfos zur Vorbereitung wären klasse.
    Das hatte Zeit. Vorher wollte Vicki ihre Fotos sichten. Gestern, nachdem sie ihre Aussage gemacht und dieser Fünfanger sie samt Rad nach Hause gefahren hatte, war sie zu müde gewesen, um die Aufnahmen noch auf den Rechner zu beamen. Nun holte sie den Speicherchip, den sie der Polizei nicht gegeben hatte, aus der Schutzhülle, legte ihn in die Kamera und schloss diese am PC an.
    Auf dem Monitor erschienen die Bilder. Die Lampenfotos waren echt klasse geworden. Die würde sie ins Forum einstellen, ebenso wie die des Heizkörperschuppentiers. Sie betrachtete die Aufnahmen genauer. Dieses Licht! Ein Glücksfall. Die vom ersten Shooting am Samstag waren längst nicht so dramatisch, viel flacher in der Zeichnung. Vicki öffnete den Ordner, der diese Bilder enthielt, und verglich sie. Dabei entdeckte sie bei den Aufnahmen vom Samstag etwas, das auf den aktuelleren fehlte. Auf dem Boden, zwischen Schutt und Dreck, lag etwas Buntes. Es sah aus wie eine zu klein geratene Postkarte oder wie eine übergroße Visitenkarte. Vicki vergrößerte den Bildausschnitt, konnte aber nicht erkennen, um was es sich handelte. Teilweise durch Ziegelbrocken und Schatten verdeckt und mangels Tiefenschärfe, war nicht mehr zu erahnen als ein weißes Haus mit einer Fahne obendrauf und eine unleserliche Schrift.
    ***
    Ginas Golf verschwand um die Ecke. Dühnfort blickte ihm nach und dachte an dieses schelmische Aufblitzen in Ginas Augen und an das Gefühl, das es in ihm so plötzlich ausgelöst hatte.
    Sie waren zu Freunden geworden. Und diese Freundschaft war ganz selbstverständlich zwischen ihnen gewachsen, wie eine Pflanze, die sich selbst aussät und auch in der kärgsten Ritze Halt und Nahrung findet, die jedem Wetter trotzt und unverwüstlich scheint. Diese Freundschaft war ihm viel wert. Er genoss es, in Ginas WG mit am Tisch zu sitzen. Vor Jahren hatte sie diese gegründet, um an eine riesige Altbauwohnung in Haidhausen zu kommen, die sie unbedingt haben wollte. Dort lebte sie mit Theo, einem Finanzbeamten, Xenia, einer Studentin der Filmhochschule, Ferdinand, einem Restaurator, und mit ihren Eltern. Letztere waren eigentlich nur vorübergehend, nach einem Wasserrohrbruch in ihrer Wohnung, eingezogen. Nun wohnten sie noch immer dort, weil nicht nur sie, sondern auch alle Mitbewohner sich damit wohl fühlten.
    Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert. Weshalb ging ihm dieses Lied nun durch den Kopf? Er hatte keine Ahnung und wollte es auch nicht wissen. Er war Ginas Vorgesetzter. Schon alleine deshalb verbot sich jeder Gedanke daran. Außerdem würde es möglicherweise alles zerstören, wenn er tatsächlich … es würde vermutlich nicht halten, so wie alle Beziehungen bisher nicht gehalten hatten. Und dann? Dann wäre es unmöglich, weiter zusammen zu arbeiten. Das Risiko konnte und würde er nicht eingehen.
    Dieser Gedanke drängte das ungewollte neue Gefühl zurück und gab Dühnfort seine Sicherheit wieder.
    Einem spontanen Entschluss folgend, ließ er das Auto stehen, um sich zu Fuß auf den Heimweg zu machen und unterwegs auf dem Viktualienmarkt für sein Abendessen zu sorgen. Vorher würde er allerdings endlich einen Windbreaker fürs Segeln kaufen, außerdem brauchte er neue Laufschuhe. Das Paar, das er seit der Reha im letzten Herbst benutzte, war schon ziemlich verschlissen.
    Damals hatte er mit dem Laufen begonnen und sich vorgenommen, es nicht wieder aufzugeben. Sein Gourmet-Sixpack, wie Agnes sein kleines Bäuchlein immer genannt hatte, war dadurch allerdings nicht verschwunden. Joggen machte Appetit.
    Zwei Tage hatte er im Koma gelegen, nachdem Gina und Schorsch ihn gemeinsam aus dem eiskalten See gezogen hatten. Als er endlich erwacht war, hatten die Ärzte bereits die komplizierte Fraktur seines rechten Oberarms operiert, die ihm der übergekommene Großbaum in dem Bruchteil der Sekunde verpasst hatte, bevor er über Bord gegangen war.
    Anfängerfehler.
    Dühnfort knirschte mit den Zähnen, reihte sich in den Menschenstrom der Fußgängerzone ein und ließ sich Richtung Marienplatz treiben.
    Als er damals erwacht war, hatten seine Mutter und sein Vater an seinem Bett gestanden. Er hatte sich orientierungslos gefühlt und so, als wäre er wieder fünfzehn und seine Eltern noch ein Paar. Dabei waren sie seit sechsundzwanzig Jahren geschieden. Zuletzt gemeinsam gesehen hatte er sie bei der

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