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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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scheißbürgerlich werden, wie es irgendwie geht«, sagte sie. »Meinst du, ich schaffe das?« Die Schildkröte guckte unergründlich. Vicki runzelte die Stirn. »Wirst schon sehen.« Sie würde diesen Kindern helfen. Und damit auch ein wenig sich selbst.
    Noch einmal rief sie die Website der Stiftung auf und schaute sich das Bild von Jobst Wernegg an – das des Stiftungsvorsitzenden, nicht das des Jungen. Er sah durchschnittlich aus. Gar nicht wie so ein reicher Schnösel. Und offensichtlich hatte er ein weiches Herz. Wie viele reiche Erben gab es schon, die sich für die engagierten, denen es nicht gutging?
    Vicki rieb sich die Augen, sie war müde und auch ein wenig aufgeregt. Zeit, ins Bett zu gehen.
    Sie war bereits am Einschlafen, als ihr der Anruf von Serge Buthler wieder einfiel. Wie er sich an sie ranwanzte. Hoffentlich gab er nun Ruhe. Sie hatte nicht die geringste Lust, ihn erneut abzuwimmeln.
    ***
    Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Pech gehabt. Und dann hatte sie ihn auch noch angesprochen, hatte wissen wollen, wie sie zu diesem Restaurant kam. Ein billiges Stück in billigen Klamotten, das nach billigem Parfüm roch. Aber diese Haare! So wunderbar in ihrer Fülle. So perfekt! Sie hatten den Ausschlag gegeben. Rasch hatte er sie von Kopf bis Fuß gemustert. Auch die Figur passte, schlank, ja fast mager. Innerhalb weniger Sekunden hatte er seine Pläne über den Haufen geworfen, war von seinem erst für den nächsten Tag vorgesehenen Vorhaben abgewichen und war das Risiko eingegangen. Sie sollte es sein. Alles war längst vorbereitet, atmete in stiller Erwartung.
    Es hatte keine zwei Minuten gedauert, sie so weit zu bringen, in sein Auto zu steigen. Auch musste er sie nicht bitten, das Handy auszuschalten – unter dem Vorwand, dass er die Strahlung nicht vertrug, während er in Wahrheit vermeiden wollte, dass die Polizei anhand der Funkdaten ihren Weg nachverfolgen konnte. Verärgert hatte sie festgestellt, dass sie es vergessen hatte. Wunderbar. Und dann war alles so abgelaufen, wie er es sich immer ausgemalt hatte. Perfekt. Einfach perfekt. Nicht so wie damals, als … Er verdrängte die Erinnerung daran.
    Nachdem er es vollbracht hatte, war er erschöpft gewesen. Zu Tode erschöpft. Und ruhig. Unrast und Wut, die seit Jahren in ihm wirkten, waren einer wohligen, lange nicht gekannten Heiterkeit gewichen. Dieses Gefühl hatte ihn angefüllt wie eine Medizin, die ihn hoffen ließ.
    Doch nur Tage später war sie aus ihm herausgelaufen wie aus einem lecken Fass. Nervosität und Zorn brachen erneut in ihm auf und wucherten in seinem Innersten wie Geschwüre, wie eine tödliche Krankheit. Und weshalb? Wegen rosa lackierter Nägel! Ein Fehler, wenn auch kein so fataler wie damals.
    Damals, vor sechs Jahren … diese Nutte! Alles war schiefgegangen. Er schüttelte den Kopf und erhob sich aus dem Sessel. Diese Erinnerung erfüllte ihn noch immer mit Ekel. Beinahe konnte er ihr Blut auf seiner Haut fühlen, in seinem Haar, auf seinem Mund. So warm, so klebrig, so metallisch. Ihm wurde übel. Aus dem Schrank holte er den Grappa, nahm einen großen Schluck direkt aus der Flasche und starrte die Staffelei an. Die linke. Sie war leer. Das Bild auf der rechten harrte seiner Vollendung.
    Er musste es wieder tun.
    Er wollte nicht und wollte doch. Musste.
    Er fühlte sich wie zwei.
    Als sei da noch einer in ihm, ein Fremder, der in geheimen Kammern hauste und ab und an die Herrschaft über sein Handeln an sich riss.
    ***
    Dühnfort schloss die Mappen mit den Obduktionsberichten, verschränkte die Hände im Nacken und starrte, wie so häufig, an die Decke seines Büros. Feine Risse zogen sich durch den Putz, eine Spinnwebe schaukelte im Luftzug.
    Es gab gravierende Unterschiede. Bei Svenja wiesen die Wirbelkörper des fünften und sechsten Halswirbels Scharten und Absprengungen auf; die angrenzenden Wirbelbögen und Dornfortsätze waren zerstört. Fünf bis sechs wuchtige Hiebe mit einem Beil hatten diese Spuren hinterlassen. Bei Nadines Leiche hingegen waren die Wirbel, bis auf einige kleine Kratzer, nicht beschädigt. Der Täter hatte mit einem sehr scharfen Messer Gewebe, Speise- und Luftröhre durchschnitten, anschließend hatte er die Muskeln und Sehnen an den Halswirbeln durchtrennt, war mit dem Messer zwischen diese gefahren und hatte sie auseinandergedreht.
    Bruno Lichtenberg, dachte Dühnfort. Ein Metzger, der sein Handwerk beherrscht. War er ihr Mann? Weshalb aber ein derart unfachmännisches

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