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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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schwarz. Nur Flügel hatte es leider nicht. Manchmal habe ich mir vorgestellt, es hätte welche und ich würde mit ihm davonfliegen. Bis hinauf zu den Sternen.«
    Während er gesprochen hatte, war Sabrinas Blick zu ihm zurückgekehrt. Unsicher musterte sie ihn. »Meines ist weiß«, sagte sie leise. »Es ist eigentlich kein richtiges Pferd. Es ist ein Einhorn. Wir reiten bis ans Ende der Welt. Manchmal.«
    »Bis ans Ende der Welt.« Nico lachte. »Die Welt hat doch gar kein Ende, und Einhörner gibt’s nur im Märchen.«
    »Würde es dir Freude machen, die Ponys wieder zu besuchen?«, fragte Wernegg.
    Sabrina begann eine Haarsträhne zwischen den Fingern zu zwirbeln. »Das wäre schön«, sagte sie schließlich. »Kommst du auch mit?«
    »Vielleicht.« Wernegg wandte sich an Peter. »Dass du dich auf das Reiten freust, habe ich ja schon mitbekommen. Also, ich organisiere das für euch. Künftig dürft ihr einmal in der Woche zu den Pferden.«
    »Ist nicht wahr«, entfuhr es Nico.
    Isolde schaltete sich ein und erklärte den Kindern, dass Jobst Wernegg Vorsitzender der Susanne-Karg-Stiftung war, welche Aufgaben seine Stiftung wahrnahm und dass diese die Kosten für das Reiten bezahlen würde. Sie hatte gerade geendet, als ein Gong aus dem Lautsprecher neben der Tür erklang. »Zeit für das Mittagessen. Geht schon vor. Ich komme gleich nach.«
    Die Kinder rutschten von den Stühlen und liefen zur Tür. Als Sabrina an Wernegg vorbeikam, blieb sie stehen. »Wer ist die Susanne?«
    »Sie war meine Mutter.«
    »Ist sie gestorben?«
    Wernegg nickte.
    »Bist du traurig?«
    »Manchmal.«
    »Hast du sie lieb?«
    »Natürlich. Noch immer. In meinem Herzen lebt sie weiter.«
    »Ich habe meine Mami auch lieb. Aber jetzt muss ich zum Essen gehen.«
    Vicki sah Sabrina nach und fragte sich, wie dieses Mädchen seine Mutter lieben konnte. Eine Säuferin, die ihr Kind fast hätte verhungern lassen. Und doch wusste sie die Antwort. Schließlich hatte auch sie in diesem Alter ihre Mutter bedingungslos geliebt. Es blieb einem ja nichts anderes übrig. Man war abhängig, emotional und materiell. Das eigene Leben hing von der Fürsorge und Liebe dieser Person ab, daher durfte man sie nicht zurückweisen. In meinem Herzen lebt sie weiter, hatte Wernegg gesagt. Er hatte ja auch eine tolle Mutter gehabt. In meinem Herzen lebt nur Hass für meine, dachte Vicki und erschrak über diesen Gedanken. Er hatte etwas Vergiftendes.
    Hass war der inneren Ruhe und Gelassenheit, nach der sie suchte, sicherlich abträglich. Das also hatte Adrian gemeint, als er gesagt hatte, sie sollte ihn wegpacken. Aber wie packte man Gefühle weg? Sie waren nun mal da, verdammt, und ließen sich nicht in Kisten stopfen und auf den Dachboden stellen oder, besser noch, auf dem Sperrmüll entsorgen.
    Während sie diesen Gedanken nachspürte, bekam sie am Rande mit, wie Wernegg Isolde die Kostenübernahme der Reittherapie für die Dauer eines Jahres zusagte, falls nötig auch für weitere Kinder. »Ich brauche einen detaillierten Antrag mit einer Kostenaufstellung. Außerdem erwarte ich ein Monitoring der Therapie, anonymisiert natürlich. Wenn der Erfolg belegt ist, können wir im Bedarfsfall auch in den Folgejahren Gelder dafür zur Verfügung stellen. Ich werde den Antrag bearbeiten, sobald er uns vorliegt. Sie erhalten dann das Jahresbudget vorab, und wir erhalten jeweils zum Quartalsende einen Status quo und am Jahresende eine komplette Abrechnung sowie das Ergebnis des Monitoring.«
    Isolde Petri bedankte sich bei Wernegg und fragte Vicki, ob sie die Antragstellung übernehmen wolle. »Schließlich geht das auf deine Initiative zurück. Außerdem wächst man an seinen Aufgaben.«
    »Klar. Gibt es dafür ein Formular?«
    »Das können Sie ganz formlos erledigen«, erklärte Wernegg.
    Isolde begleitete sie noch bis zur Tür. Dort nahm sie Vicki in den Arm und sagte leise: »Das hast du toll gemacht. Ich bin stolz auf dich.« Zum Abschied reichte sie Wernegg die Hand. »Was täten wir nur ohne Leute wie Sie?«
    »Ich führe nur fort, was meine Mutter begonnen hat.«
    Hä?, dachte Vicki. Er hat doch die Stiftung erst gegründet, nachdem sie gestorben war. Sie reichte ihm die Hand. »Mit dem Antrag beeile ich mich. Den kriegen Sie morgen. Bis dann also.« Vicki sah auf die Uhr und dann zur gegenüberliegenden Haltestelle. Wenn sie den Fahrplan richtig im Kopf hatte, würde erst in zehn Minuten ein Bus kommen.
    »Kann ich Sie bis zur U-Bahn mitnehmen?«, fragte

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