So unwiderstehlich reizvoll
schalt sie ihn, obwohl sie die Sympathiebezeugung des Hundes sichtlich rührte. „Das war sehr unartig von dir. Hast du denn deine ganze Erziehung vergessen? Herumzulaufen und Männern in die Hosenbeine zu beißen gehört sich einfach nicht.“
Lady Elinor beobachtete die Szene mit offensichtlichem Interesse. „Er mag Sie, Miss Lawrence“, stellte sie fest. „Hitchins hat ein feines Gespür für Charakter, das habe ich schon häufiger festgestellt.“
Cary schob die Hände in die Hosentasche, betrachtete seine Schuhspitzen und tat, als hätte er die Anspielung nicht verstanden.
„Als Kind hatte ich einen Golden Retriever“, plauderte Juliet munter, um die Situation zu entspannen. „Übrigens heiße ich mit Vornamen Juliet und würde mich freuen, wenn Sie mich so nennen würden.“
Nickend deutete Lady Elinor auf einen Rattansessel. „Juliet, bitte setzen Sie sich. Bringen Sie Hitchins ruhig wieder in sein Körbchen. Wenn Cary sich nicht so aufbläst, beachtet ihn der Hund auch nicht.“
„Ich blase mich nicht auf, Großmama.“ Cary war beleidigt. „Soll ich Josie bitten, Juliet eine Tasse zu bringen? Dann könnt ihr euch gemütlich unterhalten.“
Erschrocken sah Juliet ihn an. Doch ohne grob unhöflich zu werden, konnte sie nichts gegen seinen Vorschlag einwenden. Damit hatte er bestimmt auch gerechnet.
„Ja, dann kannst du dich endlich einmal nützlich machen“, willigte Lady Elinor sofort ein. „Bring die Tasse und eine Kanne mit frischem Kaffee bitte selbst, dann muss Josie nicht laufen.“
„Ich bin doch nicht dein Dienstbote“, protestierte er.
„Josie auch nicht.“ Ungeduldig klopfte Lady Elinor mit dem Stock auf den Boden. „Beeil dich bitte.“
Zu Juliets Erstaunen kam Cary der Aufforderung kommentarlos nach. Für die Erbschaft schien er sich widerstandslos erniedrigen zu lassen.
„Hat Ihnen der Spaziergang gefallen?“, fragte Lady Elinor, sobald Cary außer Hörweite war. „Sind Sie etwa am Flussufer unterwegs gewesen? Josie muss Ihnen doch gesagt haben, wie schlammig es dort ist.“
„Um ehrlich zu sein, war es Mr. Marchese, der mich gewarnt hat.“
„Raphael war hier?“ Die alte Dame runzelte die Brauen.
Wieder spürte Juliet, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. „Ja. Er wollte Mrs. Morgan frische Brötchen bringen. Ich war schon früh auf und zufällig in der Küche, als er kam.“
„So, so.“ Sie schien nachdenklich. „Was halten Sie eigentlich von Raphael?“
Raphael Marchese war ein Mann, über den sie nicht nachdenken, geschweige denn sich öffentlich äußern wollte. „Er scheint ein sehr netter Mensch zu sein. Wohnt er hier in der Nähe?“
Lady Elinor lachte kurz. „Mein ältester Enkelsohn ist alles andere als ein netter Mensch, liebe Juliet. Er ist schwierig und kompromisslos, man könnte ihn vielleicht als faszinierende Persönlichkeit bezeichnen, aber ganz sicher nicht als nett – das ist so ein nichtssagendes Allerweltswort.“
Verlegen biss Juliet sich auf die Lippe. „Auf alle Fälle ist er anders als Cary.“
„Ja, zu meinem großen Glück.“ Die alte Dame trank einen Schluck Kaffee. „Raphael hat Ihnen also nicht gesagt, wo er wohnt?“
„Nein – wir haben nicht lange miteinander gesprochen.“
„Er hat ein Atelier mit einer kleinen Wohnung in Polgellin Bay, unterrichtet jedoch auch an der Schule in Bodmin, was ich Ihnen, glaube ich, bereits erzählt habe.“
Da Juliet nicht so recht wusste, wie sie das Gespräch in Gang halten sollte, fragte sie: „Besitzen Sie ein Bild, das er gemalt hat?“, fragte sie daher.
Daraufhin zögerte Lady Elinor so lange mit einer Antwort, dass Juliet schon befürchtete, etwas Falsches gesagt zu haben. „Raphael glaubt, ich würde mich für seine künstlerische Arbeit nicht interessieren. Vielleicht können Sie mir ja später einmal Ihre Meinung zu seinem Schaffen sagen.“
Als ob sie je die Gelegenheit hätte, eins seiner Werke zu Gesicht zu bekommen! Nie im Leben würde Cary mit ihr eine Vernissage seines Cousins besuchen.
„Haben Cary und Sie sich schon auf den Hochzeitstermin geeinigt?“, fragte Lady Elinor so unerwartet, dass Juliet nur stammeln konnte.
„Nein, wir wollen … Ich meine, wir haben uns doch gerade erst verlobt … Ans Heiraten denken wir im Moment noch nicht.“
„Den Eindruck habe ich allerdings auch.“
Um nichts in der Welt wollte sie Lady Elinors Misstrauen wecken, damit wäre Cary bestimmt nicht einverstanden. Also fügte sie hastig hinzu: „Vielleicht
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