So unwiderstehlich reizvoll
Auseinandersetzung nicht umgehen. Sie knotete den Gürtel ihres Seidenkimonos fester und ging zur Tür.
Zu ihrer freudigen Überraschung stand sie Josie gegenüber, die allerdings ziemlich aufgelöst wirkte.
„O Miss Lawrence, ich dachte schon, Mr. Cary und Sie seien ausgegangen.“
„Ich war gerade im Badezimmer“, log Juliet und bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie die alte Haushälterin so lange hatte warten lassen. „Ist etwas passiert?“
„Ja … Nein … Es ist wieder dieser Schluckauf!“
„Setzen Sie sich doch bitte, Mrs. Morgan.“ Da Josie aussah, als könne sie sich nur mit Mühe auf den Beinen halten, schob Juliet ihr eilig einen Stuhl hin.
„Es ist nur … Lady Elinor wird zum Essen nicht aufstehen können.“ Nervös knetete Josie die Hände im Schoß. „Es geht ihr wirklich nicht gut, ich musste Dr. Charteris rufen.“
„Kann ich irgendwie helfen?“
Josie schüttelte den Kopf. „Lady Elinor ist eine ausgesprochen schwierige Patientin. Sie hasst es, hilflos und von anderen abhängig zu sein. Über einen Besuch von Ihnen würde sie sich in ihrer derzeitigen Verfassung sicher nicht freuen. Auch mit mir wird sie schimpfen, weil ich Dr. Charteris um einen Hausbesuch gebeten habe.“
„Das war doch nur vernünftig!“
„Ich weiß, ich weiß, aber so ist Lady Elinor eben.“ Sie zögerte merklich. „Eigentlich bin ich gekommen, weil ich eine Bitte habe. Wären Sie heute Abend mit einer kalten Platte zufrieden? Der Arzt kommt und …“
„Selbstverständlich“, unterbrach Juliet sie. „Toast, etwas Aufschnitt und Käse reichen völlig, um satt zu werden.“
„Mr. Daniels wird das anders sehen.“
„Darüber zerbrechen Sie sich bitte nicht den Kopf, Mrs. Morgan, ich werde es ihm schon erklären“, versicherte sie entschlossen. „Wenn ich schon sonst nicht helfen kann, darf ich Sie dann wenigstens in der Küche unterstützen?“
Erstaunt sah Josie auf. „Sie? Damit wäre Lady Elinor bestimmt nicht einverstanden.“
„Sie braucht es ja nicht zu erfahren.“ Juliet lächelte. „Ich würde es wirklich sehr gern tun.“
„Was soll ich darauf nur antworten, Miss Lawrence?“
„Ganz einfach, Sie sollten erstens Juliet zu mir sagen und mir zweitens verraten, wann Sie den Arzt erwarten.“
Als Juliet eine Dreiviertelstunde später in der Küche stand und Käse rieb, bekam sie Besuch von Cary.
„Hier steckst du also! Man könnte meinen, du legst es darauf an, mir aus dem Weg zu gehen.“ Erst jetzt fiel ihm ihre Schürze auf. „Was, um Himmels willen, machst du da eigentlich?“
Vollkommen ruhig stellte Juliet die Reibe beiseite. „Siehst du das nicht?“
„Ich sehe nur, dass du Josies Job erledigst. Wo trödelt sie denn wieder herum?“
„Josie hat mehr als genug zu tun. Du hast keinen blassen Schimmer, wie viel Arbeit es bedeutet, einen Haushalt wie diesen am Laufen zu halten.“
„Mag sein, trotzdem hast du nichts in der Küche zu suchen“, antwortete Cary missmutig. „Soll das alte Mädchen etwa denken, ich heirate eine Putzfrau?“
Das verschlug Juliet den Atem. „Niemand außer dir könnte auf eine solche Idee kommen, Cary. Außerdem wäre ich froh, wenn ich eine Putzstelle hätte, es ist ein Job wie jeder andere auch. Wählerisch zu sein kann ich mir nicht erlauben.“
„Hör doch auf. Nie im Leben würdest du fremden Leuten den Dreck hinterherräumen, auch nicht, um Geld zu verdienen. Doch ich meinte eigentlich etwas anderes. Großmama wäre bestimmt nicht damit einverstanden, wenn du dir hier die Küchenmamsell spielst.“
„Sie hat im Moment andere Sorgen. Es geht ihr nämlich nicht gut. Hat Josie es dir nicht gesagt? Sie musste den Arzt rufen.“
„Charteris muss kommen? Nicht schlecht.“ Cary wiegte bedächtig den Kopf. „Nein, Josie hat mir nichts gesagt“, beantwortete er dann ihre Frage.
Verwundert bemerkte Juliet, dass Cary noch nicht zum Essen umgezogen war. „Was hast du denn bis jetzt getrieben?“, erkundigte sie sich.
Sorgfältig schloss er die Tür hinter sich und kam mit wichtiger Miene auf Juliet zu. „Ich habe mich mit der Buchführung beschäftigt. Du glaubst gar nicht, was ich dabei gefunden habe!“
„Hatte Lady Elinor dich damit beauftragt?“
Ungeduldig winkte er ab. „Natürlich nicht, und sie weiß auch nichts davon. Aber wenn dieser Marchese ihr die Bücher führt, habe auch ich das Recht, die Unterlagen einzusehen. Stell dir vor, was mir dabei in die Hände fiel! Ein Schreiben von einem Makler in Bristol. Er
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