So unwiderstehlich reizvoll
Sie litt im Februar an einer schweren Grippe, und Charteris ordnete strikte Schonung an. Aber Lady Elinor wäre nicht Lady Elinor, wenn sie sich daran gehalten hätte.“
Auf Juliets Stirn bildeten sich Sorgenfalten. „Sind Sie sehr in Sorge um sie?“
„Nicht mehr als üblich. Sie hat mich übrigens beauftragt, Ihnen ihren herzlichsten Dank zu übermitteln. Die Nieren hätten köstlich geschmeckt.“
Dass Juliet leicht errötete, machte sie noch attraktiver. „Das hat sie bestimmt nicht gesagt, das haben Sie sich nur ausgedacht.“
Nach einem kurzen Zögern verließ Raphael den Platz auf der Türschwelle und ging langsam zum Tisch, sich wohl bewusst, dass er mit dem Feuer spielte. Cary war wutentbrannt mit seinem Auto vom Hof gebraust, das hatte Josie ihm verraten.
„Wo ist denn unser Märchenprinz heute Abend?“, fragte er und stellte sich neben ihren Stuhl. „Im Pub, um nach den Dorfschönen Ausschau zu halten?“
„Nein.“ Gegen alle bisherige Erfahrung hatte Juliet gehofft, sich mit Raphael vernünftig unterhalten zu können. Sein Sarkasmus enttäuschte sie. „Es geht Sie zwar nichts an, doch er trifft alte Freunde in Bodmin. Ich … Ich hätte nur gestört und bin absichtlich nicht mitgegangen.“
An seinem Gesicht erkannte sie, dass er ihr nicht glaubte. Doch er widersprach ihr nicht, sondern sah sie nur an, als erwarte er etwas von ihr. Wieso gelang es ihm nur immer wieder, diese knisternde Spannung zwischen ihnen zu erzeugen, für die sie keine Erklärung hatte?
„Mein Spaziergang heute Morgen war schön“, redete sie drauf los und versuchte, nicht atemlos zu klingen. „Und Sie hatten recht, es war sehr matschig. Ohne Josies Gummistiefel wäre ich nicht weit gekommen.“
Raphael kniff die Augen zusammen. Er machte Juliet nervös, das hatte er vom ersten Augenblick an gespürt. Allerdings wusste er noch immer nicht, weshalb. Reagierte sie auf ihn als Mann, oder waren es andere Gründe?
Seiner Erfahrung nach benahm sich eine geschiedene Frau nicht so schüchtern wie Juliet. Oder spielte sie ihm nur etwas vor, um interessant zu wirken? Es reizte ihn, es herauszufinden.
„Wie lange sind Cary und Sie eigentlich schon verlobt?“, fragte er daher unvermittelt. Daraufhin sah Juliet ihn so panisch an wie das sprichwörtliche Kaninchen die Schlange.
„Seit … Seit einigen Wochen.“ Sie schluckte, hatte dann jedoch einen hervorragenden Einfall. „Eigentlich kennen wir uns schon seit Kindertagen“, erklärte sie, begeistert von ihrer geschickten Antwort.
„Das hat mir Lady Elinor bereits erzählt.“
„Lady Elinor scheint Ihnen ziemlich viel zu erzählen!“ Die aggressive Bemerkung war ihr herausgerutscht, bevor sie richtig überlegt hatte.
Ein ironisches Lächeln war die Antwort. „Ist das ein Problem für Sie?“
„Nein, natürlich nicht, warum sollte es auch“, versuchte sie ihren Fehler auszubügeln. „Anscheinend besteht ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Ihrer Großmutter und Ihnen.“
„Das möchte ich bezweifeln. Wenn es einen Menschen gibt, dem Lady Elinor wirklich vertraut, dann ist es Josie“, stellte er nüchtern fest.
„Das stimmt nicht! Sie hat schließlich Cary!“
„Cary ist zwar ihr Fleisch und Blut, aber er ist ein Schleimer. Das muss doch selbst Ihnen schon aufgefallen sein.“
Erbost sprang sie vom Stuhl auf. „Wie können Sie es wagen, mir gegenüber derartige Worte zu benutzen!“ Für eine Frau war Juliet zwar ausgesprochen groß, doch um Raphael in die Augen zu sehen, musste sie den Kopf in den Nacken legen. Diese ungewohnte Tatsache fachte ihre Wut noch mehr an.
„So?“, erwiderte er kühl. „Wollen Sie mir vielleicht weismachen, einer Frau mit ihrer Erfahrung wäre das noch nicht aufgefallen? Ich dachte, es wäre gerade diese Eigenschaft, die Cary besonders attraktiv für Sie macht.“
„Das ist eine ungeheuerliche Behauptung und eine Beleidigung noch dazu!“
Insgeheim gab Raphael ihr recht, was ihn jedoch nicht davon abhielt, Juliet weiter zu provozieren. „Womit sollte ich Sie denn beleidigt haben? Dass ich Ihnen als geschiedene Frau gewisse Erfahrungen unterstelle oder dass ich Carys Charme bezweifle?“
„Sie wissen genau, worauf ich hinaus will. Sie haben Cary als Schleimer bezeichnet!“
„Ist er das denn nicht? Das hat auch Lady Elinor schon längst erkannt.“
Darauf wusste Juliet nichts zu erwidern. Raphaels Worte waren verletzend – doch sie war mit ihren Äußerungen auch nicht gerade zimperlich gewesen. „Wenn
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