So unwiderstehlich reizvoll
er Olivia, ohne die beiden zu beachten. „Ich wollte gerade duschen.“
„Dürfen wir hochkommen?“, flötete Olivia.
Diese Frage nahm Juliet zum Anlass, Cary verstohlen am Ärmel zu zupfen. Es wäre die Gelegenheit, sich mit Anstand zu verabschieden. Doch Cary hatte andere Pläne. „Ja, wie wäre es damit, Marchese?“, unterstützte er Olivia. „Ich möchte seine Wohnung sehen. Wahrscheinlich eine bessere Räuberhöhle“, fügte er etwas leiser hinzu. Juliet hoffte, dass nur sie es gehört hatte.
Da Raphael genug damit zu tun hatte, Juliet aus seinen Gedanken zu verbannen, hätte er am liebsten abgelehnt. Ständig musste er daran denken, wie weich ihre Lippen waren und wie hingebungsvoll sie seinen Kuss erwidert hatte. Sie in seiner Wohnung zu sehen würde den Kampf gegen das leidenschaftliche Verlangen noch aussichtsloser machen. Juliet war die Verlobte seines Cousins und damit tabu für ihn, wann begriff er das endlich?
Auf der anderen Seite durfte er Olivias feines Gespür nicht vergessen. Wenn er, der stets gastfreundlich war, Cary und Juliet jetzt wegschickte, würde sie sofort Unstimmigkeiten in seinem Verhältnis zu den beiden vermuten.
„Ja, kommt hoch“, antwortete er daher resigniert. „Olivia kann euch einen Kaffee machen.“
Höchst zufrieden zog Cary die widerstrebende Juliet an der Hand hinter sich her. „Beeil dich, Baby, dein Wunsch erfüllt sich, und du kannst den großen Künstler in seinen eigenen vier Wänden erleben.“
Falls Raphael die Bemerkung gehört hatte, ließ er es sich nicht anmerken.
Das Apartment, das sie über eine ausgetretene Treppe erreichten, war überraschend hell und geräumig und geschmackvoll mit einem dunkelbraunen Ledersofa und einer Essgruppe aus geschmiedeten Möbeln eingerichtet. Dagegen waren die Regale und die Anrichte aus Teak, und die geschickt arrangierten Vasen und Skulpturen ließen den Raum großzügig und persönlich wirken.
Als Juliet, die sich wie gebannt umsah, aufblickte, schaute sie direkt in Raphaels spöttische Augen. Würde er sich jetzt für ihre Aufdringlichkeit rächen und eine Anspielung auf die Umarmung im Wintergarten machen?
„Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigt“, meinte er jedoch lediglich, neigte höflich den Kopf und ging zu einer Tür, die wahrscheinlich ins Bad führte.
8. KAPITEL
Fasziniert blickte Juliet Raphael hinterher. Was für eine athletische Figur er hatte! Erst jetzt fiel ihr auf, wie interessiert Cary sie beobachtete. Nicht auszudenken, was er anstellen würde, wenn er ihre wahren Gefühle für Raphael erkannte.
Als Raphael zurück ins Wohnzimmer kam, hatte Olivia gerade den Kaffee serviert und beantwortete Juliets Fragen zu den Bildern an der Wand. Sie stammten nicht von Raphael, sondern von einer seiner Schülerinnen.
„Sollte mein Aufzug bei der Begrüßung euer Gefühl für Sitte und Anstand beleidigt haben, so tut mir das leid“, entschuldigte Raphael sich lässig und kam zum Tisch. „Ich war gerade vom Joggen zurückgekommen.“
„Laufen ist bestimmt von Zeit zu Zeit eine nette Abwechslung zum Kriechen“, bemerkte Cary beißend.
Was fiel ihm nur ein, dachte Juliet entsetzt. Wollte er einen Streit vom Zaun brechen?
Was konnte sie nur tun?
Anscheinend hegte Olivia ähnliche Bedenken, hatte aber keine Skrupel, Cary die Meinung zu sagen. „Deine Ansichten interessieren niemand, Cary, also halt ganz einfach den Mund.“ Lächelnd wandte sie sich an Raphael. „Darling, Juliet durchlöchert mich mit Fragen nach deinen Bildern und brennt darauf, deine Arbeiten zu sehen. Soll ich ihr das Atelier zeigen? Dann kannst du in Ruhe deinen Kaffee trinken.“
„Wenn Juliet meine Bilder wirklich sehen möchte, dann zeige ich sie ihr auch persönlich. Möchten Sie, Juliet?“
„Ja, sehr gern sogar“, antwortete sie bestimmt, ohne sich um Carys wütenden Seitenblick zu kümmern.
„Ich komme mit.“ Hastig trank Olivia den letzten Schluck Kaffee und stand auf.
Aber wenn Olivia mitkam, würde sich ihnen auch Cary anschließen, und den wollte Raphael in seinem Atelier nicht sehen.
„Das wird zu eng, Liv.“ Er sah Olivia bedeutungsvoll an. „Außerdem liegen Entwürfe herum, die ich noch nicht öffentlich zeigen möchte.“
„Gut.“ Sie verstand ihn sofort. Genau wie er traute sie Cary durchaus zu, Lord Holderness beim Abendessen mehr oder weniger versteckte Andeutungen über die Porträtzeichnungen seiner Frau zu machen, die er bei Raphael gesehen hatte. Darum lächelte sie Cary gewinnend an
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