So unwiderstehlich reizvoll
nicht dahintergekommen, was sich im Kopf eines Mannes abspielt. Genau das ist der Grund, weshalb ich mich für Sie verantwortlich fühle.“
Juliet sah ihn aus großen Augen an. „Sie fühlen sich für mich verantwortlich? Dazu besteht keinerlei Anlass, Mr. Marchese. Was immer Sie von mir halten mögen, auf eins können Sie sich verlassen: Ich bin alt genug, um zu wissen, was ich tue.“
„Aber sicher doch.“
Sein unverhohlener Zynismus brachte Juliet vollends in Rage.
„Soll ich Ihnen die Wahrheit sagen, Mr. Marchese? Mit Ihrem Gerede von Verantwortungsbewusstsein mir gegenüber wollen Sie nur von Ihrem eigentlichen Ziel ablenken: Sie wollen Cary seinen Platz als rechtmäßiger Erbe streitig machen!“
Sie wurde weiß vor Schrecken, als Raphael sie hart am Handgelenk packte. „Nehmen Sie das sofort zurück!“
Hilflos fasste sich Juliet an die Kehle – da wurde seine Miene noch drohender. „Dios!“ Raphaels Augen wirkten jetzt fast schwarz. „Dieser Ring! Wo haben Sie ihn her? Von Cary?“
Nach ihrem unkontrollierten Gefühlsausbruch fühlte Juliet sich ausgelaugt. „Ich … Lady Elinor hat ihn mir … geborgt.“
„Geborgt?“
Angesichts seines durchdringenden Blicks stammelte sie eine Entschuldigung, die eigentlich unangebracht war, denn Raphael ging die Sache überhaupt nichts an. „Wir … Cary hat mir noch keinen Verlobungsring geschenkt … Lord und Lady Holderness kommen doch heute Abend zum Essen … Lady Elinor meinte, ich müsse unbedingt einen Ring tragen …“
„Und Sie hat Ihnen diesen Ring gegeben?“ Lady Elinor zu kritisieren, stand ihm nicht zu, das wusste Raphael ganz genau, doch er fand ihre Tat ungeheuerlich. Er nahm Juliets Hand, um den Ring genauer zu betrachten. „Verzeihen Sie bitte, aber Sie glauben doch selbst nicht, dass Cary diese kleine Kostbarkeit zurückgeben wird.“
„Das geht Sie gar nichts an! Der Ring gehört Lady Elinor und nicht Ihnen.“
„Er hat meiner Mutter gehört.“
„Nein!“, rief Juliet entsetzt. „Das wusste ich nicht. Sie … Lady Elinor hat mir erzählt, sie habe ihn als junges Mädchen geschenkt bekommen! Selbst im Traum hätte ich nicht daran gedacht …“
„Vergessen Sie die Geschichte, ausnahmsweise nehme ich sie Ihnen sogar ab.“ Abrupt ließ er Juliet los. „Ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen. Nach dem Tod meiner Mutter habe ich Lady Elinor den Ring zurückgegeben, daher darf ich mich jetzt nicht beklagen, wenn sie darüber nach eigenem Gutdünken verfügt.“
„Aber …“ Juliet schluckte. „Ich gebe ihn Lady Elinor sofort zurück“, bot sie impulsiv an. „Ich brauche keinen Ring.“
„Damit die alte Dame mir vorwirft, ihr den Abend ruiniert zu haben? Nein danke. Es war dumm von mir, die Sache überhaupt zu erwähnen.“
Darum also hatte sich Lady Elinor so über ihre Wahl gefreut. Sie hatte genau gewusst, dass Raphael der Ring auffallen würde. Und darum hatte sie sich auch sofort erkundigt, was Raphael zu dem Ring gesagt hatte.
Von niemandem wollte Juliet sich ausnutzen lassen, auch nicht von einer Lady Elinor. Sie würde sich weigern, deren Spiel mitzuspielen – und sie wollte Raphael nicht verletzen. In Gedanken ganz woanders, wandte sie sich zum Gehen, übersah das Bild, das Raphael vorhin an die Wand gelehnt hatte, und stieß dagegen. Es kippte um – und mit ihm die Mappe dahinter. Sie öffnete sich, und ein halbes Dutzend Skizzen flatterten auf den Fußboden.
9. KAPITEL
Juliet fühlte, wie ihre Knie nachgaben, und sie schwankte. War es ihr Gleichgewichtssinn oder waren es die Aktzeichnungen, die sie schwindeln ließen? Lady Holderness in verschiedenen Posen auf Raphaels Couch – lasziv ausgestreckt und all ihre Reize dem Betrachter unbedeckt dargeboten! Was Olivias Benehmen schon hatte vermuten lassen, stimmte also: Sie war Raphaels Geliebte.
In einem Schritt war Raphael bei ihr und nahm sie in die Arme, um sie zu stützen. „Dummes Kind! Können Sie denn nicht aufpassen, wo Sie hintreten? Was soll denn Cary von mir denken, wenn Sie mit einem blauen Auge zurückkommen?“
„Carys Meinung sollte meiner Ansicht nach die geringste Ihrer Sorgen sein, Mr. Marchese. Weiß Lord Holderness von den Aktzeichnungen, die Sie von seiner Frau anfertigen?“
Raphael seufzte. Warum hatte er die Skizzen auch nur so nachlässig verstaut? Nun sah er keine andere Möglichkeit, als Juliet die Wahrheit zu sagen.
„Nein, er weiß nichts davon“, gab er zu. „Das Bild, das ich gerade male, soll ein
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