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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Golantz oder die Geschworenen an. Seine Augen funkelten gutmütig, freundlich, wach und weise. Er war der einzige Zeuge, gegen den ich kein Gegenmittel hatte.
    Mithilfe Golantz’ präziser Fragen und einer Reihe von Großaufnahmen, deren Zulassung ich vergeblich zu verhindern versucht hatte, mit der Begründung, sie seien für die Urteilsfindung nicht erheblich, veranstaltete Kinder für die Geschworenen eine Führung durch den Tatort. Dabei erläuterte er ihnen, was die einzelnen Indizien den Ermittlern verrieten. Es war eine sehr technische, auf nüchternen Fakten basierende Angelegenheit, aber dennoch hochinteressant. Mit seiner tiefen, vertrauenerweckenden Stimme hatte Kinder etwas von einem Professor, der den im Saal Anwesenden das Einmaleins eines Mordermittlungsverfahrens beibrachte.
    Wenn sich die Gelegenheit bot, erhob ich Einspruch, um den Frage-und-Antwort-Rhythmus von Golantz und Kinder zu stören, aber im Grunde blieb mir wenig mehr zu tun, als es über mich ergehen zu lassen und zu warten. Irgendwann bekam ich aus dem Zuschauerbereich eine SMS, die nicht dazu angetan war, meine wachsenden Bedenken zu zerstreuen.
    FAVREAU: Sie fahren total auf diesen Typen ab! Kannst du denn nichts tun?
     
    Ohne mich zu Favreau umzudrehen, schüttelte ich bloß den Kopf, während ich auf das Display meines Handys unter dem Tisch starrte.
    Dann warf ich einen Blick auf meinen Mandanten, und es schien, als hörte er Kinder gar nicht richtig zu. Zwar machte er sich auf einem Block Notizen, aber die betrafen nicht den Prozess. Ich sah eine Menge Zahlen und die unterstrichene Überschrift AUSLANDSVERTRIEB. Ich beugte mich zu ihm hinüber.
    »Der Typ im Zeugenstand macht uns gerade fix und fertig. Nur damit Sie sich hinterher nicht wundern.«
    Elliots Lippen verzogen sich zu einem grimmigen Lächeln, und er zischte zurück:
    »Ich finde, wir stehen bestens da. Sie hatten einen erfolgreichen Tag.«
    Ich schüttelte den Kopf und wandte mich wieder dem Zeugen zu. Ich hatte einen Mandanten, den seine aktuelle Lage nicht interessierte. Er kannte meine Prozessstrategie und wusste, meine Wunderwaffe war geladen. Aber wenn man vor Gericht steht, ist nichts gewiss. Aus diesem Grund werden neunzig Prozent aller Strafverfahren mittels eines Deals beigelegt, bevor es zu einem Prozess kommt. Niemand will alles auf eine Karte setzen. Der Einsatz ist zu hoch. Und ein Mordprozess ist das größte Vabanquespiel überhaupt.
    Walter Elliot schien das immer noch nicht begriffen zu haben. Er ging weiter seinen Geschäften nach und kümmerte sich um den Auslandsvertrieb seiner Filme, als sei er felsenfest davon überzeugt, den Gerichtssaal am Ende als freier Mann zu verlassen. Ich fand meine Beweisführung zwar wasserdicht, aber nicht einmal ich war mir meiner Sache vollständig sicher.
    Nachdem Kinder die Ermittlungen am Tatort in aller Ausführlichkeit geschildert hatte, lenkte Golantz die Aufmerksamkeit auf Elliots Person und die Gespräche des Ermittlers mit ihm.
    »Sie haben ausgesagt, dass der Angeklagte in Deputy Murrays Streifenwagen blieb, während Sie den Tatort inspizierten und sich einen ersten Eindruck von der Lage verschafften, richtig?«
    »Ja, das ist richtig.«
    »Wann haben Sie zum ersten Mal mit Walter Elliot gesprochen?«
    Kinder zog ein Dokument in dem Ordner zu Rate, der aufgeschlagen vor ihm auf dem Zeugenstand lag.
    »Gegen vierzehn Uhr dreißig, nach Beendigung meiner ersten Tatortbegehung, habe ich das Haus verlassen und die Deputies aufgefordert, Mr. Elliot aus dem Auto zu holen.«
    »Und was haben Sie dann gemacht?«
    »Ich habe einen der Deputies angewiesen, ihm die Handschellen abzunehmen, weil ich das nicht mehr für nötig hielt. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich mehrere Deputies und Ermittler am Tatort auf, und das Anwesen war sehr gut gesichert.«
    »Aha, und war Mr. Elliot zu diesem Zeitpunkt verhaftet?«
    »Nein, und ich habe ihn darauf auch ausdrücklich hingewiesen. Ich habe ihm erklärt, die Deputies hätten lediglich die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, bis wir uns einen groben Eindruck von der Lage verschafft hatten. Und Mr. Elliot hat mir bestätigt, das sei ihm bewusst. Ich habe ihn gefragt, ob er bereit sei, weiterhin mit uns zu kooperieren und den Mitgliedern meines Teams das Haus zu zeigen, worauf er erwidert hat, ja, das würde er.«
    »Sie brachten ihn also wieder ins Haus zurück?«
    »Ja. Erst gaben wir ihm Überziehschuhe, um nichts zu verunreinigen, und dann gingen wir nach

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