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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Walter. Das ist meine Tochter, Hayley, und ihre Mutter, Maggie McPherson.«
    »Hi«, sagte Hayley schüchtern.
    Maggie nickte und fühlte sich sichtlich unwohl.
    Walter beging den Fehler, Maggie die Hand zu reichen. Ich weiß nicht, wie man noch steifer darauf hätte reagieren können. Kurz gab sie ihm die Hand und entriss sie ihm sofort wieder. Und als sich Elliots Hand auf Hayley zubewegte, sprang Maggie auf, legte ihre Arme beschützend um die Schultern unserer Tochter und zog sie von der Bank fort.
    »Hayley, lass uns schnell noch auf die Toilette gehen, bevor die Verhandlung wieder anfängt.«
    Hastig führte sie Hayley den Gang hinunter. Walter blickte ihnen kurz hinterher, dann sah er mich an, die Hand immer noch ausgestreckt. Ich erhob mich.
    »Tut mir leid, Walter, meine Exfrau ist Anklägerin. Sie arbeitet für die Staatsanwaltschaft.«
    Er zog die Augenbrauen hoch.
    »Dann habe ich so eine Ahnung, warum sie Ihre Exfrau ist.«
    Ich nickte, damit er sich besser fühlte. Dann erklärte ich ihm, er solle in den Saal zurückgehen, ich käme gleich nach.
    Ich marschierte zu den Toiletten und wartete, bis Maggie und Hayley wieder nach draußen kamen.
    »Ich glaube, wir sollten besser nach Hause fahren«, sagte Maggie.
    »Wollt ihr wirklich schon los?«
    »Sie muss noch Hausaufgaben machen, und ich denke, sie hat für heute genug gesehen.«
    Über Letzteres ließ sich streiten, aber ich ging nicht weiter darauf ein.
    »Na schön«, sagte ich. »Danke, dass du gekommen bist, Hayley. Das hat mir viel bedeutet.«
    »Okay.«
    Ich bückte mich, küsste sie aufs Haar, und dann umarmte und drückte ich sie. Nur in ganz seltenen Momenten wie diesem mit meiner Tochter konnte ich die grundsätzliche Distanz überbrücken, die in mein Leben Einzug gehalten hatte. Ich fühlte mich mit etwas verbunden, das zählte. Ich blickte zu Maggie auf.
    »Danke, dass du sie hergebracht hast.«
    Sie nickte.
    »Falls es dich interessiert, du machst deine Sache sehr gut da drinnen.«
    »Das interessiert mich sogar sehr. Danke.«
    Sie zuckte mit den Achseln und ließ den Anflug eines Lächelns entwischen. Und auch das war nett.
    Als ich ihnen nachsah, wie sie zu den Liften gingen, war mir bewusst, dass sie nicht zu mir nach Hause fahren würden. Und ich fragte mich, wie ich es geschafft hatte, es mir so gründlich zu vermasseln.
    »Hayley!«, rief ich ihnen hinterher.
    Meine Tochter blickte sich nach mir um.
    »Bis Mittwoch. Pfannkuchen!«
    Sie lächelte, als sie sich vor dem Lift anstellten, um nach unten zu fahren. Ich merkte, dass auch meine Exfrau lächelte. Ich deutete auf sie, als ich zum Gerichtssaal zurückging.
    »Und du kannst auch mitkommen.«
    Sie nickte.
    »Mal sehen.«
    Eine Lifttür öffnete sich, und sie gingen darauf zu. »Mal sehen.« Auf diese zwei Wörter schien alles in meinem Leben hinauszulaufen.
VIERZIG
    I n einem Mordprozess ist der Hauptzeuge der Anklage immer der leitende Ermittler. Weil es keine lebenden Opfer mehr gibt, die den Geschworenen erzählen können, was ihnen zugestoßen ist, fällt ihm die Aufgabe zu, sowohl die polizeilichen Nachforschungen zu schildern als auch für die Toten zu sprechen. Der leitende Ermittler ist der alles entscheidende Mann. Er stellt für die Geschworenen sämtliche Fakten in einen Zusammenhang und erläutert sie ihnen. Er lässt sie den Fall aus Sicht der Anklage sehen – und wie bei jeder geschäftlichen Transaktion ist dabei die Persönlichkeit des Verkäufers häufig genauso ausschlaggebend wie die zu verkaufende Ware. Die besten Mordermittler sind zugleich die besten Verkäufer. Ich habe abgebrühte Typen wie Bosch im Zeugenstand feuchte Augen bekommen sehen, wenn sie die letzten Momente eines Mordopfers schilderten.
    Nach der Pause rief Golantz den leitenden Ermittler in den Zeugenstand. Das war ein geschickter Schachzug, der von hervorragender Planung zeugte. Er hatte zur Folge, dass John Kinder bis zum Ende der heutigen Verhandlung im Mittelpunkt stand, und seine Worte den Geschworenen noch durch den Kopf gehen würden, wenn sie nach Hause fuhren, zu Abend aßen und sich schließlich schlafen legten. Und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte.
    Kinder war ein großer, umgänglich wirkender Schwarzer, der mit einem väterlichen Bariton sprach. Er linste durch eine auf seine Nasenspitze hinabgerutschte Lesebrille, wenn er den dicken Ordner zu Rate zog, den er in den Zeugenstand mitgebracht hatte. Zwischen den einzelnen Fragen blickte er über ihren oberen Rand hinweg

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