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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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mitten in einer Debatte über einen Kautionsantrag. Außerdem warteten drei weitere Anwälte darauf, dass sie mit ihren Anträgen an die Reihe kamen, und von dem Staatsanwalt, der für den Fall Edgar Reese zuständig war, fehlte noch jede Spur. Ich stand auf und flüsterte dem Deputy ins Ohr.
    »Ich gehe nur mal kurz auf den Flur telefonieren. Ich bleibe also in der Nähe.«
    Er nickte.
    »Wenn Sie dran sind, komme ich Sie holen«, raunte er. »Passen Sie nur auf, dass Sie Ihr Handy ausmachen, wenn Sie in den Saal zurückkommen. Die Richterin mag keine Handys.«
    Das hätte er mir nicht zu sagen brauchen. Ich wusste aus eigener Erfahrung, dass die Richterin keine Handys in ihrem Gerichtssaal duldete. Diese Lektion hatte ich gelernt, als ich einen Termin bei ihr hatte und mein Handy die Wilhelm-Tell- Ouvertüre zu spielen begann – die Klingeltonwahl meiner Tochter, nicht meine. Die Richterin brummte mir hundert Dollar Strafe auf und nannte mich von da an nur noch den Lone Ranger. Letzteres machte mir nicht groß was aus. Manchmal fühlte ich mich tatsächlich wie der Lone Ranger. Nur war ich in einem schwarzen Lincoln Town Car unterwegs statt auf einem weißen Pferd.
    Ich ließ meine übrigen Akten auf einer Bank im Zuschauerbereich liegen und verließ den Saal nur mit den Henson-Unterlagen. Dann suchte ich mir einen halbwegs ruhigen Platz auf dem von Menschen wimmelnden Flur und wählte die Nummer. Nach dem zweiten Läuten meldete sich eine Männerstimme.
    »Hier Trick.«
    »Patrick Henson?«
    »Ja, wer sind Sie?«
    »Ich bin Ihr neuer Anwalt. Mein Name ist Mi…«
    »Hoppla, Augenblick. Was ist aus meinem alten Anwalt geworden? Ich habe diesem Vincent …«
    »Er ist tot, Patrick. Gestern Nacht gestorben.«
    »Neiiiiin.«
    »Doch, Patrick. Tut mir aufrichtig leid.«
    Ich wartete kurz, ob er sonst noch etwas dazu zu bemerken hatte, dann begann ich in bester Bürokratenmanier meinen Spruch herunterzuleiern.
    »Mein Name ist Michael Haller, und ich übernehme Jerry Vincents Fälle. Ich habe mir hier gerade Ihre Akte angesehen und dabei festgestellt, dass Sie noch keine der mit Mr. Vincent vereinbarten Zahlungen geleistet haben.«
    »Ach, kommen Sie, Mann, was soll das? Ich konzentriere mich schon die ganze Zeit voll darauf, die Kurve zu kriegen und nicht wieder rauszufliegen, und im Moment habe ich einfach keine Kohle. Verstehen Sie? Ich habe diesem Vincent schon alle meine Bretter gegeben. Er hat sie mir mit fünf Mille angerechnet, aber ich weiß ganz genau, dass er mehr dafür gekriegt hat. Ein paar von diesen Longboards waren mindestens einen Tausender das Stück wert. Er hat mir gesagt, er hätte genug Kohle, um anzufangen, aber bisher hat er nur alles verzögert. Ich kann mein Leben erst wieder richtig anpacken, wenn diese ganze Scheiße endlich vom Tisch ist.«
    »Haben Sie die Kurve gekriegt, Patrick? Sind Sie clean?«
    »Was glauben Sie denn? Klar. Vincent hat mir gesagt, das wäre meine einzige Chance, vielleicht doch um den Knast rumzukommen.«
    Ich spähte den Flur hinunter. Überall standen Anwälte, Angeklagte, Zeugen, Angehörige von Opfern oder Beschuldigte. Er war so lang wie ein Footballfeld, und alle hier hofften nur auf eines – auf ein bisschen Glück. Und dass die Sonne durchbrach und wenigstens dieses eine Mal auf sie fiel.
    »Da kann ich Jerry nur Recht geben, Patrick. Sie müssen unbedingt clean bleiben.«
    »Tue ich ja auch.«
    »Haben Sie einen Job?«
    »Wann kapieren Sie das eigentlich endlich mal, Mann? Kein Schwein gibt einem Typen wie mir einen Job. Niemand stellt mich ein. Ich warte auf meine Verhandlung, und wenn es blöd läuft, lande ich am Ende im Knast. Ich habe zwar einen Job, bringe halbtags Kindern das Surfen bei, lauter blutigen Anfängern. Aber hängen bleibt dabei so gut wie nichts. Ich wohne in meiner Karre und penne in einer Wasserwachtstation am Hermosa Beach. Und vor zwei Jahren um diese Zeit? Da saß ich in einer Suite im Four Seasons in Maui.«
    »Wem sagen Sie das? Das Leben kann ganz schön hart sein. Haben Sie noch einen Führerschein?«
    »Das ist so ziemlich alles, was ich noch habe.«
    Ich traf eine rasche Entscheidung.
    »Okay, wissen Sie, wo Jerry Vincents Kanzlei ist? Waren Sie mal da?«
    »Ja, als ich ihm die Boards vorbeigebracht habe. Und meinen Fisch.«
    »Ihren Fisch?«
    »Er hat auch einen fünfzig Pfund schweren Tarpun genommen, den ich als Junge mal gefangen habe, als ich noch in Florida lebte. Er wollte ihn sich an die Wand hängen und so tun, als

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