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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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ob er ihn gefangen hätte.«
    »Ach so, ja, der Fisch ist noch da. Jedenfalls, kommen Sie morgen Punkt neun in die Kanzlei, dann reden wir wegen eines Jobs für Sie. Wenn alles glatt läuft, können Sie auf der Stelle anfangen.«
    »Als was?«
    »Als mein Fahrer. Ich zahle Ihnen fünfzehn Dollar die Stunde fürs Fahren und weitere fünfzehn rechne ich Ihnen auf Ihre Honorarzahlungen an. Was halten Sie davon?«
    Nach kurzem Schweigen antwortete Henson in wesentlich freundlicherem Ton.
    »Ist ja super, Mann. Klar komm ich vorbei.«
    »Gut. Dann bis morgen. Aber vergessen Sie eines nicht, Patrick. Sie müssen clean bleiben. Und wenn nicht, kriege ich es mit. Glauben Sie mir, ich merke es.«
    »Keine Sorge, Mann. Mit dieser Scheiße fange ich garantiert nicht wieder an. Dieses Dreckszeug hat mir echt den Rest gegeben.«
    »Okay, Patrick. Dann sehen wir uns morgen in der Kanzlei.«
    »Nur so ’ne Frage. Warum machen Sie das?«
    Ich zögerte, bevor ich antwortete.
    »Das weiß ich, ehrlich gesagt, selbst nicht.«
    Ich drückte die Trenntaste und schaltete dann das Handy ganz aus. Während ich zurück in den Gerichtssaal schlenderte, fragte ich mich, ob ich damit etwas Gutes tat oder einen Fehler beging, der mir irgendwann zum Verhängnis werden würde.
    Zeitlich hätte ich es nicht besser abpassen können. Als ich den Saal betrat, wurde die Richterin gerade mit dem letzten Antrag fertig. Am Tisch der Anklage saß inzwischen Don Pierce, ein stellvertretender Bezirksstaatsanwalt. Er gehörte zu den Stammgästen des Four Green Fields und trug sein Haar in Erinnerung an seine Zeit bei der Navy immer noch militärisch kurzgeschnitten. Ich packte alle Akten rasch in meine Tasche und schritt damit durch die Schranke zum Tisch der Verteidigung.
    »Sieh an«, bemerkte die Richterin, »der Lone Ranger reitet wieder.«
    Sie sagte es mit einem Lächeln, und ich erwiderte es.
    »Ja, Euer Ehren. Schön, Sie wiederzusehen.«
    »Sie haben sich eine ganze Weile nicht mehr blicken lassen, Mr. Haller.«
    Der Gerichtssaal war nicht der passende Ort, um ihr zu erzählen, wo ich gewesen war. Deshalb hielt ich mich mit meiner Antwort zurück. Ich breitete die Hände aus, als präsentierte ich mein neues Ich.
    »Dazu kann ich nur eines sagen, Euer Ehren, ich bin wieder zurück.«
    »Das freut mich. Sie vertreten heute Mr. Vincent – ist das richtig?«
    Sie äußerte das in einem routinemäßigen Ton, der mir sofort verriet, dass sie noch nichts von Vincents Tod wusste. Natürlich konnte ich das Geheimnis für mich behalten und damit durch die Urteilsverkündung kommen. Doch später würde sie davon erfahren und sich fragen, warum ich ihr nichts davon erzählt hatte. Das war nicht die Art, gute Beziehungen zu einem Richter zu pflegen.
    »Bedauerlicherweise«, antwortete ich deshalb, »ist Mr. Vincent gestern Nacht verstorben, Euer Ehren.«
    Die Richterin zog bestürzt die Augenbrauen nach oben. Sie war eine altgediente Staatsanwältin gewesen, bevor sie Richterin wurde. Sie war schon lange in der Juristenszene von L. A. unterwegs und hatte Jerry Vincent vermutlich gut gekannt. Ich hatte ihr gerade einen ziemlichen Schock versetzt.
    »Wie furchtbar!«, entfuhr es ihr. »Er war doch noch so jung! Wie ist das passiert?«
    Ich schüttelte den Kopf, als wüsste ich es nicht.
    »Er ist keines natürlichen Todes gestorben, Euer Ehren. Die polizeilichen Ermittlungen sind noch in vollem Gang, und ich weiß eigentlich so gut wie nichts darüber, außer dass er gestern Nacht im Parkhaus seiner Kanzlei erschossen in seinem Auto aufgefunden wurde. Richterin Holder hat mich heute Morgen einbestellt und zu seinem Stellvertreter ernannt. Deshalb erscheine ich heute hier als Anwalt für Mr. Reese.«
    Die Richterin senkte den Blick. Sie brauchte eine Weile, um diese Nachricht zu verdauen. Es war mir unangenehm, ihr Überbringer zu sein. Ich bückte mich und zog die Edgar-Reese-Akte aus meinem Trolley.
    »Das tut mir außerordentlich leid«, bekundete die Richterin schließlich.
    Ich nickte und wartete.
    »Also dann«, fuhr sie nach einer Weile fort. »Rufen wir den Angeklagten herein.«
    Eine längere Verzögerung der Tagesgeschäfte gab Jerry Vincents tragisches Ableben nicht her. Ob die Richterin irgendwelche Vermutungen hegte, was Jerry oder seinen Lebenswandel betraf, erwähnte sie nicht. Das Leben im Criminal Courts Building nahm unaufhaltsam seinen Lauf. Die Mühlen der Justiz würden auch ohne ihn weitermahlen.
ZEHN
    D ie Nachricht von Lorna war knapp

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