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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Prozesstermin festgesetzt und über eine Kaution verhandelt werden soll.«
    Ich nickte. Wenn man zwischen den Zeilen dieser kurzen Zusammenfassung zu lesen verstand, hieß das in etwa Folgendes: Wyms hatte sich unter Einsatz von Waffen in irgendeiner Form mit dem Sheriff’s Department angelegt, das in einem nicht zu seinem Revier gehörigen und unter dem Namen Calabasas bekannten Gebiet polizeiliche Aufgaben übernahm. Daraufhin wurde Wyms in das staatliche psychiatrische Begutachtungszentrum in Camarillo eingewiesen, wo die Ärzte drei Monate Zeit hatten, um festzustellen, ob er verrückt war oder sich wegen der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen vor Gericht verantworten konnte. Die medizinischen Gutachter hatten ihn für verhandlungsfähig erklärt, und das hieß, er hatte zwischen richtig und falsch unterscheiden können, als er einen Polizisten zu töten versuchte, aller Wahrscheinlichkeit nach einen Sheriff’s Deputy, der ihn wegen irgendetwas zur Rede stellen wollte.
    Dies war eine wenn auch nur skizzenhafte Darstellung der Schwierigkeiten, in denen Eli Wyms steckte. In der Akte stand sicher mehr darüber, bloß hatten wir keine Akte.
    »Gibt es bei den Treuhandkontoeinzahlungen irgendwelche Hinweise auf Wyms?«, fragte ich.
    Lorna schüttelte den Kopf. Natürlich hatte sie selbst schon daran gedacht, die Kontoauszüge durchzusehen.
    »Aha. Demnach hat ihn Jerry wohl pro bono vertreten.«
    Anwälte stellen sich mittellosen oder besonderen Mandanten gelegentlich kostenlos – pro bono – als Verteidiger zur Verfügung. Manchmal tun sie das aus Altruismus, manchmal liegt es einfach daran, dass ein Mandant sich wider Erwarten zahlungsunfähig erweist. Insofern war es also nicht weiter ungewöhnlich, dass von Wyms keine Vorschusszahlung eingegangen war. Die fehlende Akte war eine andere Geschichte.
    »Weißt du, was ich glaube?«, sagte Lorna.
    »Nein, was?«
    »Dass Jerry die Akte dabeihatte, als er am Montagabend nach Hause fahren wollte.«
    »Und sie wurde zusammen mit seinem Laptop und seinem Handy vom Mörder gestohlen.«
    Wir nickten beide.
    Das war einleuchtend. Er hatte den Abend damit verbracht, sich auf die bevorstehende Arbeitswoche vorzubereiten, und am Donnerstag hätte die Verhandlung im Fall Wyms stattfinden sollen. Vielleicht hatte er keine Lust mehr gehabt, noch länger im Büro zu bleiben, und die Akte mitgenommen, um sich später damit zu befassen. Vielleicht hatte er sie aber auch eingesteckt, weil sie eine spezielle Bedeutung besaß, über die ich mir noch nicht im Klaren war. Womöglich war es dem Mörder um die Wyms-Akte gegangen und nicht um den Computer oder das Handy.
    »Wer ist in dieser Strafsache der Ankläger?«
    »Joanne Giorgetti. Du wirst staunen, aber ich bin schon ein gutes Stück weiter als du. Ich habe sie nämlich gestern angerufen, ihr unsere Situation erklärt und sie gefragt, ob sie uns die Beweisoffenlegung vielleicht nochmal kopieren kann. Sie hat gemeint, kein Problem. Du kannst die Kopien nach dem Elf-Uhr-Termin bei Richter Stanton abholen. Dann hast du noch ein paar Stunden Zeit, um dich bis zur Verhandlung um zwei damit vertraut zu machen.«
    Joanne Giorgetti war eine erstklassige Anklägerin, die in der Abteilung Straftaten gegen Polizeiangehörige der Staatsanwaltschaft arbeitete. Außerdem war sie eine langjährige Freundin meiner Exfrau sowie die YMCA-League-Basketballtrainerin meiner Tochter. Sie hatte sich auch nach der Trennung von Maggie mir gegenüber immer freundlich und kollegial verhalten. Deshalb überraschte es mich nicht, dass sie sich bereiterklärt hatte, mir eine Kopie des Beweisoffenlegungsmaterials zu überlassen.
    »Du denkst wirklich an alles, Lorna«, sagte ich. »Warum übernimmst nicht einfach du Vincents Kanzlei und schmeißt den Laden ganz allein? Du brauchst mich doch gar nicht.«
    Sie lächelte über das Kompliment und linste in Richtung Cisco. Wenn ich den Blick richtig deutete, wollte sie, dass er sich ihres Werts für die Kanzlei Michael Haller und Partner bewusst war.
    »Ich halte mich lieber im Hintergrund«, beschied sie. »Den Platz im Scheinwerferlicht überlasse ich gern dir.«
    Unser Essen kam, und ich gab reichlich Tabascosoße auf mein Steak und die Eier. Manchmal merkte ich nur dank einer scharfen Soße, dass ich noch am Leben war.
    Jetzt hätte ich endlich Zeit gehabt, mir anzuhören, was Cisco über die Vincent-Ermittlungen herausgefunden hatte, aber er fiel mit solchem Heißhunger über sein Essen her, dass ich mich

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