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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Grund für das Drängen auf einen schnellen Prozess, und inzwischen glaubte ich ihn zu kennen. Das Ganze war ein abgekartetes Spiel, dessen Erfolg davon abhing, dass der Prozess termingerecht begann. Was zwangsläufig die nächste Frage nach sich zog. Warum musste der Prozess genau wie geplant beginnen? Darauf hatte ich noch keine Antwort, aber ich würde sie bekommen.
    Ich trat ans Fenster und teilte mit der Hand die Jalousie. Unten auf der Straße stand ein Channel-5-Wagen mit zwei Rädern auf dem Bordstein. Auf dem Gehsteig tummelten sich ein Kamerateam und ein Reporter, die sich für eine Live-Übertragung bereitmachten. Sie würden ihren Zuschauern das Neueste über den Vincent-Fall berichten. Wobei das Neueste genau das Gleiche wie in den Reportagen am Morgen zuvor wäre – keine Festnahmen, keine Verdächtigen, nichts Neues.
    Ich wandte mich vom Fenster ab und begann, wieder durch den Raum zu tigern. Das Nächste, was mich beschäftigte, war der Mann auf dem Foto, das Bosch mir gezeigt hatte. Hier stieß ich auf einen gewissen Widerspruch. Ursprünglich hatten alle Indizien darauf hingedeutet, dass Vincent seinen Mörder gekannt und ihn deshalb so nahe an sich herangelassen hatte. Die Person auf dem Foto wirkte jedoch verkleidet. Hätte Jerry Vincent tatsächlich bei diesem Mann das Autofenster heruntergelassen? Unter Berücksichtigung der Tatumstände ergab es keinen rechten Sinn, dass Bosch sich auf diesen Mann eingeschossen hatte.
    Auch die FBI-Anrufe auf Vincents Handy waren mir immer noch ein Rätsel. Was wussten sie beim FBI, und weshalb war keiner ihrer Agenten an Bosch herangetreten? Möglicherweise wollte das FBI seine eigenen Spuren verwischen. Mir war allerdings auch klar, dass sich die Behörde unter Umständen deshalb im Hintergrund hielt, um nichts über ein laufendes Ermittlungsverfahren an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Wenn das zutraf, musste ich in Zukunft vorsichtiger sein. Wenn bei einer Korruptionsstichprobe der Bundesbehörden auch nur der kleinste Verdacht an mir hängenblieb, würde ich mich davon nie mehr erholen.
    Die letzte Unbekannte in der Gleichung war der Mord selbst. Vincent hatte das Schmiergeld gezahlt und war bereit gewesen, zum geplanten Termin vor Gericht zu ziehen. Warum war er zum Risikofaktor geworden? Seine Ermordung gefährdete eindeutig den geplanten Prozessablauf und war eine äußerst drastische Maßnahme. Warum musste er trotzdem beseitigt werden?
    Vorerst gab es zu viele Fragen und zu viele Unbekannte. Ich brauchte mehr Informationen, bevor ich irgendwelche konkreten Entscheidungen bezüglich meines weiteren Vorgehens treffen konnte. Aber es gab eine prinzipielle Schlussfolgerung, die sich mir immer wieder aufdrängte. Es war kaum mehr von der Hand zu weisen, dass ich von meinem eigenen Mandanten auf beunruhigende Weise an der Nase herumgeführt wurde. Elliot ließ mich über die wahren Hintergründe des Falls im Dunkeln.
    Aber dieses Prinzip funktionierte auch andersherum. Daher beschloss ich, genau das zu tun, worum Bosch mich gebeten hatte, nämlich seine Informationen vertraulich zu behandeln. Ich würde sie nicht an meine Mitarbeiter weitergeben. Und um keinen Preis würde ich Walter Elliot fragen, was er über diese Dinge wusste, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Vielmehr würde ich versuchen, den Kopf über den dunklen Wassern dieser dubiosen Angelegenheit zu behalten, und immer schön die Augen aufsperren.
    Ich verlagerte den Fokus meiner Gedanken auf das, was sich direkt vor mir befand. Ich starrte in das aufgerissene Maul von Patrick Hensons Fisch.
    Die Tür flog auf, Lorna kam herein und sah mich den Tarpun anglotzen.
    »Was machst du da?«, erkundigte sie sich.
    »Nachdenken.«
    »Cisco ist hier, und wir müssen jetzt los. Du hast heute eine ganze Reihe Gerichtstermine, zu denen du lieber nicht zu spät kommen solltest.«
    »Dann lass uns losfahren. Ich komme um vor Hunger.«
    Ich folgte ihr nach draußen, aber nicht, ohne vorher noch einen Blick auf den großen schönen Fisch an der Wand zu werfen. Ich glaubte, genau zu wissen, wie ihm zumute war.
DREIUNDZWANZIG
    P atrick chauffierte uns zum Pacific Dining Car, wo Cisco und ich Steaks mit Eiern bestellten, während Lorna es bei einem Tee mit Honig beließ. Im Dining Car verkehrten vorwiegend Börsenhaie aus Downtown, die sich für einen Kampftag in den nahen Glashochhäusern rüsteten. Das Essen war überteuert, aber gut. Es vermittelte den Downtown-Kriegern Selbstbewusstsein und das

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