So wahr uns Gott helfe
mir eine weitere ominöse Warnung auf den Schreibtisch donnern.
Doch als eine Minute später die Tür aufging, war es Lorna, die eintrat.
»Ich bin schon wieder diesem Detective begegnet, draußen auf dem Flur.«
»Ja, er war bei mir.«
»Was wollte er?«
»Mir Angst machen.«
»Und?«
»Ist ihm ziemlich gut gelungen.«
ZWEIUNDZWANZIG
L orna wollte eine weitere Mitarbeiterbesprechung einberufen und mich darüber in Kenntnis setzen, was sich ereignet hatte, während ich am Tag zuvor in Malibu und bei Walter Elliot gewesen war. Außerdem machte sie mich darauf aufmerksam, dass ich später einen Gerichtstermin in Zusammenhang mit einem mysteriösen Fall hatte, der sich nicht auf dem von uns rekonstruierten Kalender befand. Aber ich brauchte noch etwas Zeit, um zu überdenken, was Bosch mir gerade erzählt hatte.
»Wo ist Cisco?«
»Bereits auf dem Weg hierher. Er ist früh los, um sich mit einer seiner Quellen zu treffen, bevor er in die Kanzlei kommt.«
»Hat er schon gefrühstückt?«
»Nicht mit mir.«
»Okay, dann lass uns auf ihn warten. Dann frühstücken wir gemeinsam drüben im Dining Car. Dort können wir alles durchsprechen.«
»Ich habe aber schon gefrühstückt.«
»Na, dann kannst du das Reden übernehmen, während wir essen.«
Sie setzte ein Stirnrunzeln auf, verzog sich dann aber ins Vorzimmer und ließ mich allein. Ich stand auf und begann, die Hände in den Hosentaschen, auf und ab zu gehen. Dabei versuchte ich, mir einen Reim auf Boschs Informationen zu machen.
Laut Bosch hatte Jerry Vincent an eine oder mehrere unbekannte Personen ein hohes Bestechungsgeld gezahlt. Der Umstand, dass die hunderttausend Dollar aus dem Vorschuss Walter Elliots stammten, legte die Vermutung nahe, dass die Bestechung in irgendeiner Weise mit dem Fall zu tun hatte, auch wenn es keinesfalls zwingend war. Vincent könnte ohne weiteres Elliots Geld dazu verwendet haben, Schulden zu bezahlen oder jemanden in Zusammenhang mit einer völlig anderen Sache zu schmieren. Fakt war einzig und allein, dass Vincent die hundert Riesen für einen unbekannten Zweck von seinem Konto abgezweigt und diesen Vorgang geheim zu halten versucht hatte.
Als Nächstes war der Zeitpunkt dieser Transaktion zu bedenken und ob er etwas mit Vincents Ermordung zu tun hatte. Laut Bosch hatte die Transaktion vor fünf Monaten stattgefunden. Vincent war erst vor drei Tagen ermordet worden, und der Prozess sollte in einer Woche beginnen. Auch hier gab es keinen eindeutigen Bezug. Der zeitliche Abstand zwischen der Transaktion und dem Mord ließ einen Zusammenhang in meinen Augen eher unwahrscheinlich erscheinen.
Trotzdem konnte ich die beiden Dinge nicht völlig voneinander trennen, und der Grund dafür war Walter Elliot selbst. Durch den Filter von Boschs Informationen begann ich nun, einige fehlende Elemente einzufügen und meinen Mandanten – und damit auch mich selbst – in einem anderen Licht zu betrachten. Mir war inzwischen klar, dass Elliots Unschuldsbeteuerungen und seine Zuversicht, freigesprochen zu werden, möglicherweise auf dem Wissen fußten, dass sein Freispruch bereits gekauft und bezahlt worden war. Inzwischen hatte ich das Gefühl, dass es sich bei seiner beharrlichen Weigerung, den Prozessbeginn aufzuschieben, eher um eine Frage des Timings drehte, die mit der Bestechung zusammenhing. Und den Umstand, dass er mich Vincents Platz so rasch hatte einnehmen lassen, ohne auch nur eine einzige Referenz einzuholen, betrachtete ich mittlerweile als eine Maßnahme, die es ihm ermöglichte, termingerecht vor Gericht zu gehen. Es hatte nichts mit seinem Zutrauen in mein Können und meine Zuverlässigkeit zu tun. Er war keineswegs von mir beeindruckt gewesen. Ich war schlicht und einfach der Erste, der bei ihm aufgetaucht war. Ein williger Anwalt, der ins Konzept passte. In gewisser Weise war ich sogar ideal. Ich hatte lange in der Abstellkammer gestanden und brannte darauf, loszulegen. Ich brauchte nur abgestaubt und ein bisschen aufpoliert zu werden, und schon war ich bereit, als Vincents Stellvertreter zu fungieren, ohne allzu viele Fragen stellen.
Das schmerzliche Erwachen, das dieser Einsicht folgte, war genauso bitter wie die erste Nacht in der Entzugsklinik. Aber ich merkte auch, dass mir diese Selbsterkenntnis Biss verlieh. Mit mir wurde ein böses Spiel getrieben, aber immerhin wusste ich jetzt, woran ich war. Das war ein Vorteil. Denn jetzt konnte ich es zu meinem Spiel machen.
Es gab also ganz offensichtlich einen
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