So wahr uns Gott helfe
ich wusste, ich hatte richtig gelegen.
»Danke, Mr. Haller. Ein Beleg für Ihre Steuererklärung wird Ihnen mit der Post zugesandt. Er geht an die Adresse auf dem Scheck.«
»Wie Sie schon sagten, diese Organisation leistet offensichtlich gute Arbeit.«
»Ja, das tut sie.«
Die Richterin legte den Scheck auf die beiden anderen, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu.
»Bevor wir uns mit Ihren Fällen beschäftigen, habe ich noch eine Frage an Sie«, begann sie. »Wissen Sie, ob die Polizei bei ihren Ermittlungen zu Mr. Vincents Tod vorankommt?«
Ich zögerte, denn ich musste erst überlegen, was ich der Vorsitzenden Richterin des Superior Court mitteilen sollte.
»Darüber bin ich nicht wirklich auf dem Laufenden«, antwortete ich. »Aber man hat mir das Foto eines Mannes gezeigt, der wohl als Verdächtiger gilt.«
»Tatsächlich? Was war das für ein Foto?«
»Ein Bild von einer Überwachungskamera an einer Straßenecke. Es sieht so aus, als trüge der Mann eine Schusswaffe. Ich vermute, die Aufnahme ist kurz nach den Schüssen im Parkhaus entstanden.«
»Kennen Sie den Mann, der darauf zu sehen ist?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein, die Aufnahme ist zu körnig. Außerdem hat er sich vermutlich verkleidet.«
»Wann war das?«
»Am Abend des Mordes.«
»Nein, ich meine, wann hat man Ihnen dieses Foto gezeigt?«
»Erst heute Morgen. Detective Bosch ist damit in die Kanzlei gekommen.«
Die Richterin nickte. Wir schwiegen kurz, und dann kam Holder auf den Grund des Treffens zu sprechen.
»Also, Mr. Haller, dann unterhalten wir uns doch mal über Ihre Mandanten und Fälle.«
»Gern, Euer Ehren.«
Ich bückte mich, öffnete den Reißverschluss meines Rollkoffers und holte die Liste heraus, die Lorna für mich vorbereitet hatte.
Richterin Holder nagelte mich eine Stunde lang an ihrem Schreibtisch fest, und ich ging jeden einzelnen Fall und Mandanten mit ihr durch und schilderte ihr den jeweiligen Stand und die Gespräche, die ich geführt hatte. Als sie mich schließlich gehen ließ, war es bereits elf Uhr vorbei, und um elf hätte die Besprechung bei Richter Stanton beginnen sollen.
Ich verließ Richterin Holders Gerichtssaal, und statt auf den Lift zu warten, hetzte ich im Treppenhaus die zwei Etagen zu Stantons Saal hinauf. Ich kam acht Minuten zu spät und fragte mich, ob mich das eine weitere Spende für die Lieblingsorganisation eines Richters kosten würde.
Der Saal war leer, nur Stantons Protokollführerin war an ihrem Platz. Sie deutete mit ihrem Stift auf die offene Tür des Flurs, der zum Richterzimmer führte.
»Sie warten schon auf Sie«, sagte sie.
Ich lief rasch an ihr vorbei und den Flur hinunter. Die Tür des Richterzimmers stand offen, und ich konnte den Richter an seinem Schreibtisch sitzen sehen. Links hinter ihm saß eine Stenografin, und vor dem Schreibtisch standen drei Stühle. Auf dem rechten saß Walter Elliot, der mittlere war frei, und auf dem linken saß Jeffrey Golantz. Ich war dem Ankläger nie persönlich begegnet, erkannte ihn aber wieder, weil ich sein Gesicht im Fernsehen und auf Pressefotos gesehen hatte. Er hatte in den letzten Jahren eine Reihe aufsehenerregender Fälle gewonnen und sich einen Namen gemacht. Er war der unbesiegte Hoffnungsträger der Staatsanwaltschaft.
Ich trat gern gegen unbesiegte Ankläger an. Ihr Selbstbewusstsein wurde ihnen oft zum Verhängnis.
»Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich verspätet habe, Euer Ehren«, sagte ich, als ich auf dem freien Stuhl Platz nahm. »Richterin Holder hat mich für eine Besprechung einbestellt, und die hat leider etwas länger gedauert.«
Ich hoffte, der Umstand, dass ich die Vorsitzende Richterin als Grund für meine Verspätung anführte, würde Stanton davon abhalten, meinem Scheckheft weiter zuzusetzen, und es schien zu klappen.
»Dann wollen wir ab sofort alles zu Protokoll nehmen«, erklärte der Richter.
Die Stenografin beugte sich vor und legte die Finger auf die Tastatur ihres Geräts.
»Wir haben uns heute zu einer Statusbesprechung in der Sache Kalifornien gegen Walter Elliot eingefunden. Anwesend sind der Angeklagte sowie Mr. Golantz für den Staat und Mr. Haller in Vertretung des verstorbenen Mr. Vincent.«
An dieser Stelle musste der Richter kurz unterbrechen, um der Stenografin die einzelnen Namen zu buchstabieren. Er sprach mit dem Respekt einflößenden Ton, den zehn Jahre auf der Richterbank einem Juristen oft verliehen. Der Richter war ein gut aussehender Mann
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