So weit der Wind uns trägt
sich.
Beatriz äußerte sich als Erste. »Ganz die Mamã, was?«, fragte sie in schnippischem Ton.
Gleich darauf sagte Mariana: »Meine Güte, Laura, so kann man doch in deinem Alter noch nicht herumlaufen!«
Nur Octávia stand ihr bei und erntete damit böse Seitenblicke ihrer Mutter. »Ich finde, das sieht toll an dir aus. Leihst du mir den Lippenstift mal?«
Die jüngeren Mädchen hielten sich heraus, genau wie die beiden Männer. Octávio schien überhaupt kein Verständnis für die Aufregung zu haben, während seinem Bruder Edmundo deutlich anzusehen war, dass er Laura sehr appetitlich fand. Hatte er sie vorher kaum wahrgenommen, so sah er jetzt plötzlich eine junge, attraktive Frau vor sich.
Maria da Conceição beendete die Diskussion, als sie mit einer dampfenden Terrine hereinkam und die Suppe servierte. Sie schöpfte sie reihum in die Teller, und nur bei Edmundos Teller schwappte ihr etwas über. Ein paar Tropfen kleckerten auf seine Hose. »Herrje, du Trampel, pass doch auf!«, schimpfte er. Mit Tränen in den Augen zog die Haushälterin sich zurück.
»Ich will nicht, dass du so mit meinem Personal redest, Edmundo«, sagte Mariana zu ihrem Schwager. »Maria da Conceição ist eine Perle, und noch dazu hat sie sich freiwillig dazu bereit erklärt, an den Feiertagen zu arbeiten. Wir sollten sie alle gut behandeln.«
»Schöne Perle, die nicht mal in der Lage ist, einem Suppe in den Teller zu schöpfen«, nörgelte Edmundo weiter.
»Das ist nur, weil sie in dich verliebt ist«, meldete sich das jüngste Mädchen, Eduarda, nun zu Wort. Sie war elf Jahre alt und glich ihrer Mutter aufs Haar. Genau wie Mariana in demselben Alter hatte auch sie einen unersättlichen Appetit auf Süßes sowie die Angewohnheit, freimütig Dinge anzusprechen, die alle anderen als peinlich empfanden.
Laura kicherte. »Ist das so?«
Edmundo fragte beleidigt: »Warum sollte das nicht so sein?« Was war schließlich so verwunderlich daran, dass die alternde Haushälterin ihn anbetete? Er hatte den Frauen immer schon gefallen, ausnahmslos. Dass er nie geheiratet hatte, lag einzig und allein daran, dass er sich für keine der vielen Damen hatte entscheiden können. Und es war gut gewesen, Junggeselle zu bleiben.
»Ich fürchte«, sagte Mariana, »es ist tatsächlich so. Dabei hätte sie wahrhaftig keine Veranlassung dazu. So schäbig, wie Edmundo sie damals behandelt hat.«
Laura blickte ihre Tante fragend an.
»Was heißt hier schäbig?«, empörte Edmundo sich. »Du wirst mir doch wohl nicht bis heute eine Geschichte nachtragen, die schon vor mehr als fünfzehn Jahren schlichtweg erfunden war!«
»Was denn für eine Geschichte?«, fragte Eduarda arglos, und Laura freute sich, dass ihre Cousine die Frage ausgesprochen hatte, die ihr selber ungehörig vorgekommen wäre. Die Spannung zwischen Mariana und Edmundo war mit Händen greifbar, und bei so alten Zwistigkeiten hielt man sich lieber heraus.
»Es war«, erklärte Mariana an ihre Tochter gewandt, »folgendermaßen: An dem Tag, an dem euer Vater und ich uns kennenlernten, hat Edmundo in der
aldeia
einen Manschettenknopf verloren. Maria da Conceição hat ihn gefunden und ihn Edmundo zugeschickt – wofür sie bis heute weder einen feuchten Händedruck geschweige denn einen Finderlohn erhalten hat.«
»Oh«, sagte das Mädchen. Es war ihr plötzlich unangenehm, dass diese Antwort ihren Onkel in einem so schlechten Licht dastehen ließ. Sie mochte ihn nämlich sehr gern.
»Das ist das, was diese verlogene alte Jungfer herumerzählt hat«, ereiferte sich Edmundo. »Die Wahrheit ist, dass ich weder einen Manschettenknopf verloren habe noch mir jemals irgendetwas von dieser gestörten Person zugeschickt wurde. Sie belästigt mich mit ihrer Zuneigung, seit wir diese unglückselige Panne hatten. Ich schwöre euch, sie hat nur die Arbeit in diesem Haushalt angenommen, damit sie mich ab und zu mal zu Gesicht bekommt. Aus demselben Grund ist sie wahrscheinlich auch freiwillig über Weihnachten hiergeblieben.«
Alle sahen Edmundo sprachlos an. Diese Version erschien den Familienmitgliedern sehr unglaubwürdig – sicher resultierte sie nur aus einem zu großen Selbstbewusstsein und einer verzerrten Wahrnehmung der Realität, wie sie zuweilen bei eingefleischten Junggesellen zu beobachten war.
»Schön, dass wenigstens du selber noch den unwiderstehlichen Don Juan in dir siehst«, sagte Octávio zu seinem Bruder. »Aber es sei dir gegönnt. Außer Maria da Conceição
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