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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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verlegen gelacht, zum einen, weil ihr die direkte Ausdrucksweise ihres Mannes nicht behagte –
Niederkunft
, also bitte! –, zum anderen, weil der Vierte tatsächlich kritisch war. Zwar stünde der Mond an diesem Tag günstig, andererseits wäre die Quersumme der Quersumme von Tages-, Monats- und Jahreszahl gleich vier, was noch bedenklicher war als acht.
    Fernando hätte die Vier gefallen. Er mochte gerade Zahlen, so wie er Geradlinigkeit mochte. Er liebte Streifen mehr als Punkte, Quadrate mehr als Kreise und Kreise mehr als Ovale. Aber er interpretierte nichts in geometrische Formen hinein, was ihnen nicht von Natur aus innewohnte, und er hätte es auch gar nicht gekonnt. Er hatte nur einfach einen ausgeprägten Ordnungssinn. Es gefiel ihm, wenn die Papiere und Stifte auf seinem Schreibtisch gerade angeordnet waren und nicht kreuz und quer durcheinanderlagen. Er hatte ein Faible für einige Gebäude entwickelt, die er aus der Tram auf seinem Weg zum Ministerium an sich vorüberziehen sah, weil sie so schlichte, strenge Fassaden hatten oder weil die Fensterreihen aus sechs mal sechs Fenstern seine Vorliebe für Regelmäßigkeit ansprachen. Sein Leben lang hatte er nach Perfektion gestrebt, nach sich wiederholenden Mustern im fehlerhaften Gewebe des menschlichen Verhaltens gesucht und sich allein der Logik der exakten Wissenschaften unterworfen. Bis Jujú wieder in sein Leben getreten war. Nur sie störte das fein austarierte Räderwerk, die beruhigende Gleichmäßigkeit seines Alltags.
    Bei ihrer letzten Zusammenkunft war sie fuchsteufelswild geworden, weil er ihr, drei Wochen vor dem berechneten Geburtstermin, von der fünften Schwangerschaft seiner Frau berichtet hatte. Er hatte den unverzeihlichen Fehler begangen, ihr vorzulügen, er schliefe nicht mehr mit seiner Frau. Aber wie sollte er ihr auch erklären, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hatte, dass das eine Pflicht und das andere Kür war, dass das eine Hausmannskost und das andere eine Delikatesse war? Ein Mann konnte sich doch nicht darauf beschränken, nur einmal alle paar Wochen seinen körperlichen Bedürfnissen nachzugehen.
    Ebenso zornig war sie gewesen, weil er in letzter Zeit einige ihrer Verabredungen nicht hatte wahrnehmen können. Aber sie konnte doch nicht ernsthaft von ihm erwarten, dass er seinen kometenhaften Aufstieg ihr zuliebe abbremste, oder? Er stand bei dem neuen Machthaber Portugals, António de Oliveira Salazar, hoch im Kurs – und er konnte es sich nicht erlauben, auch nur einer einzigen Versammlung fernzubleiben. Er hatte die unwiederbringliche Chance, jetzt zu zeigen, was in ihm steckte, sich unentbehrlich zu machen und vielleicht sogar eines Tages zum Verteidigungsminister aufzusteigen. Das musste doch auch Jujú verstehen.
    Dennoch beschäftigten ihn ihre Wutausbrüche – und zwar mehr, als sie es verdienten. Was sollte das? Für Jujú hatte er seine Ehre hingegeben, hatte er seine Frau so tief verletzt, dass es nie wiedergutzumachen war, hatte er seine Kinder vernachlässigt, hatte er sogar der Fliegerei weniger Zeit gewidmet und jeglichen Stolz fahren lassen. Und sie belämmerte ihn mit ihren vergleichsweise harmlosen Befindlichkeiten. Ihre Vorwürfe nagten an ihm. Er grübelte darüber nach, während er eigentlich einem Bericht über die deutsche Aufrüstung mehr Konzentration hätte schenken sollen. Er dachte an ihr vor Empörung gerötetes Gesicht, wenn er besser in Gedanken bei der weltpolitischen Situation geblieben wäre, die sich drohend abzeichnete. Himmel noch mal, es würde womöglich einen weiteren Weltkrieg geben, und er zermarterte sich das Hirn über eine Frau, ließ sich ein schlechtes Gewissen von ihr einreden, die doch im Grunde selber an allem schuld war!
    Er würde mit ihr darüber reden müssen. Sie führte sich auf wie eine Furie, und Fernando war nicht gewillt, das hinzunehmen. Nur weil sie nun bereits seit Jahren ihre Affäre hatten und nur weil sie einander vertrauter geworden waren, als es ihnen mit ihren jeweiligen Ehepartnern jemals gelungen war, hatte Jujú noch lange nicht das Recht, wie die eifersüchtige Frau Gemahlin über jeden seiner Schritte zu wachen. Heute Abend würde er die Sprache darauf bringen – und er würde sich durch keines ihrer raffinierten Manöver, mit denen sie ihn jedes Mal aus dem Konzept brachte, beeindrucken lassen. Er würde genauso mit ihr reden, wie er es mit Vorgesetzten und Untergebenen tat: sachlich, streng, vernünftig, kühl.
    Fernando sah auf

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