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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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mehr steigerten sie ihr Vergnügen. Waren sie anfangs übereinander hergefallen wie ein Hungernder über einen Teller Brotsuppe, so kultivierten sie jetzt ihren Appetit – in mehreren Gängen von exquisiter Qualität.
    Es war Mitternacht, als Fernando und Jujú, satt, müde und glücklich, voneinander abließen. Die Glocken mehrerer nahe gelegener Kirchen läuteten. Jujú kicherte. »Ding dong – was für ein nächtlicher Höhepunkt.«
    Fernando lächelte, während er ihr sanft den Schweiß von der Stirn wischte und verzückt die sich kräuselnden Härchen an ihren Schläfen betrachtete.
    »Fernando?« Jujús Stimme klang plötzlich gar nicht mehr so mädchenhaft und gelöst wie noch Sekunden zuvor.
    »Ja,
meu amor?
«
    »Warum willst du dich nicht scheiden lassen? Wir sind noch jung genug, um ein großes Stück des Weges gemeinsam zu gehen. Willst du die nächsten zwanzig Jahre so weitermachen wie bisher?«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich dich ganz für mich haben will, deshalb.«
    Ja, das hätte sie wohl gern, dachte Fernando. Aber er würde sich ihr nicht mit Haut und Haaren ausliefern. Niemals. Er wusste, wie wechselhaft sie war und wie inkonsequent. Erst heiratete sie einen anderen Mann, nur um Jahre später doch wieder zu ihm, Fernando, zurückzukehren. Dann hatte sie sich von ihm getrennt, nach einer nicht zustande gekommenen Verabredung, um ihn ein gutes Jahr später wieder um Verzeihung zu bitten. Sie wusste vielleicht selber gar nicht so genau, was sie wollte. Und wenn sie endlich hatte, wonach es sie verlangte, warf sie es nach einer Weile immer fort. Mit ihm würde sie das nicht tun – und die Chancen auf eine dauerhafte Verbindung, sosehr sie auch von Sprunghaftigkeit ihrerseits geprägt war, standen eindeutig höher, wenn sie nicht miteinander verheiratet waren.
    »Ich glaube«, sagte er in bewusst nüchternem Ton, »dass unsere Liebe und unsere Leidenschaft nur deshalb unvermindert brennen, weil wir
kein
altes Ehepaar sind. Außerdem ist eine Scheidung auch heute noch eine unschöne Angelegenheit.«
    »Ach, komm. Weder heiße ich Wallis Simpson, noch bist du der Thronfolger von England. Kein Hahn würde danach krähen, wenn wir uns, das heißt ich mich von Rui und du dich von Elisabete, scheiden lassen würden.«
    »Oh doch, meine Kinder zum Beispiel. Vergiss nicht, sie sind noch viel jünger als deine. Alberto ist erst sechs.«
    »Erinnere mich bloß nicht daran.« Jujú war bis heute empört darüber, dass Fernando und seine Frau fünf Kinder in die Welt gesetzt hatten, allein drei davon zu einer Zeit, da sie angeblich nicht mehr das Ehebett teilten.
    Fernando schalt sich still einen Dummkopf. Er hätte wirklich nicht davon anfangen sollen – er wusste, wie empfindlich Jujú auf alles reagierte, was mit seiner Frau zu tun hatte. Wüsste sie, dass er durchaus noch ehelichen Verkehr hatte, würde sie ihm an die Gurgel gehen. Aber zum Glück würde es keine weiteren Beweise seiner »Untreue« – die sogar er selber in einer paradoxen Umkehrung der eigentlichen Verhältnisse als solche empfand – geben: Elisabete konnte keine Kinder mehr bekommen. Um die Nacht nicht im Streit ausklingen zu lassen, besänftigte er Jujú mit dem Vorschlag, gemeinsam eine kleine Reise zu unternehmen.
    »Was hältst du davon, nächste Woche mit mir nach Buçaco zu fahren?«
    »Ins Palace Hotel?«
    »Ja. Ich bin dort zu einem Treffen mit einem spanischen Abgesandten. Wir könnten wieder zwei Zimmer im zweiten Stockwerk des Ostflügels buchen – dann brauchten wir uns nicht einmal der Gefahr auszusetzen, gesehen zu werden, während wir über den Flur ins Zimmer des anderen huschen. Wir könnten einfach über die gemeinsame Terrasse gehen.«
    Jujú liebte das Palace Hotel. Es war ein neomanuelinischer Palast, dessen Prunk und überreiche Verzierungen ihr zwar ein wenig erdrückend vorkamen, der jedoch dank seiner Lage inmitten eines verwunschenen Waldes etwas von einem Märchenschloss hatte. Alter Baumbestand mit riesenhaften Zedern, idyllische Wege und steile Treppen, die Kaskade der Thermalwasserquelle »Fonte Fria« und das »Tal der Farne« machten den Wald zu einem perfekten Refugium für Liebende – was auch der Sohn des Erbauers des Palastes erkannt hatte: Manuel II . hatte sich 1910 hier mit der Schauspielerin Gaby Deslys getroffen.
    Trotzdem hielt Jujú nicht viel von Fernandos Idee.
    »Wenn du dort beruflich zu tun hast, werde ich den ganzen Tag allein sein. Und weder mag ich zehn Stunden täglich

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