So weit der Wind uns trägt
einer von ihr ein Porträt anfertigen würde, auf dem sie so entstellt wäre wie die Senhora Dona Juliana auf diesem, sie hätte dem »Künstler« ordentlich den Marsch geblasen.
Aber niemand in diesem Haushalt fragte Luiza nach ihrer Meinung, weder zu dem »Kunstwerk« noch zu sonst irgendeiner Angelegenheit. Seit das Kindermädchen Aninha nicht mehr hier arbeitete, standen nur noch sie selber, ein Chauffeur sowie eine Köchin in Diensten von Dona Juliana. Den Chauffeur bekam sie kaum zu Gesicht, und die Köchin kam nur stundenweise herein. Sie kochte mittags gleich für abends mit und hatte es immer sehr eilig. Luiza fand kaum Gelegenheit, mit ihr zu plaudern, so dass sie sich all ihre Beobachtungen und Lästereien für den Feierabend aufheben musste. Manuel, mit dem sie seit drei Jahren verheiratet war, hörte ihr gern und aufmerksam zu. Recht so – ohne ihren Scharfsinn und ihren Ehrgeiz, mit dem sie ihn antrieb, wäre er heute nicht der Assistent des Protokollchefs im Regierungspalast. Manchmal jammerte er, beklagte sich über ihre Kinderlosigkeit, wünschte sich seine Frau daheim. Luiza war heilfroh, dass sie nicht zu einem Leben am heimischen Herd verdammt war, mit quengelnden Kindern und ungehobelten Nachbarsfrauen als einziger Gesellschaft. In der Wohnung von Dona Juliana hatte sie wenigstens Kontakt zu gehobener Lebensart. Hier fiel immer die eine oder andere Delikatesse für sie ab oder auch ein hübsches Kleid, das ihre Patroa aussortierte. Solange sie das Kinderkriegen aufschieben konnte, so lange hatte er keinen guten Grund, sie nicht außer Haus arbeiten zu lassen, zumal sie sich ja jetzt »Haushälterin« nennen durfte.
Und von dem zweiten Einkommen profitierten sie schließlich beide. Eines Tages würden sogar sie sich porträtieren lassen können – aber ganz sicher nicht von dieser unbegabten Laura da Costa, und schon gar nicht auf einem groben Papier wie diesem. Es müsste schon ein richtiges Ölgemälde sein, mit einem dramatischen Alpenpanorama im Hintergrund.
Mit angewidertem Gesicht legte Luiza das Blatt zurück auf den Sekretär, nachdem sie auf diesem Staub gewischt hatte. In demselben Augenblick betrat ihre Arbeitgeberin den Salon, in ihrem Schlepptau den General Abrantes, der hier öfter ein und aus ging als Dona Julianas werter Gemahl. Abrantes setzte sich, ohne eine Aufforderung abzuwarten, in einen der Sessel am Kamin. Als sei er hier zu Hause, dachte Luiza. Sie nickte den Herrschaften unterwürfig zu und trat den Rückzug an.
»Luiza, bring uns doch bitte eine Kanne Kaffee«, warf Dona Juliana ihr zu, als sie bereits an der Tür stand. Sie sah Luiza nicht einmal an dabei.
»Natürlich, Dona Juliana. Sofort.«
»Ich finde«, sagte Fernando, als Luiza den Raum verlassen hatte, »dass ihr Ton es irgendwie an Respekt mangeln lässt.«
»Schon möglich.« Jujú wollte das Thema nicht weiter vertiefen. Sie hatte schon so oft mit Fernando darüber gestritten. Immer hatte er überzeugende Argumente dafür vorgebracht, warum sie Luiza hinauswerfen sollte, und nie hatte sie ihm erklären können, warum sie es nicht tat. Inzwischen hatte sie sich an die Frau gewöhnt, an ihre schnippische Art genauso wie an ihre ausgezeichnete Arbeit. Sie war, trotz einer Gehaltserhöhung sowie des Aufstiegs zur »Haushälterin«, nach wie vor für alles im Haushalt zuständig, auch für das Staubwischen und andere niedere Arbeiten. Einzig das Polieren des Parkettbodens sowie das Fensterputzen überließ sie Personal, das eigens dafür ins Haus kam.
Jujú erhob sich und ging zu ihrem Schreibtisch, der im Erker des Salons stand. Sie nahm die Filzpappe mit der Wachskreidezeichnung von Laura und hielt den Bogen hinter ihrem Rücken verborgen, als sie sich zu Fernando wandte.
»Ich habe ein Geschenk für dich.« Ihr Gesicht sah aus wie das eines Kindes, das seine Eltern mit einem Strauß Blumen überrascht, die es zuvor von den kostbaren Rosenstöcken gerissen hatte.
Fernando lächelte ihr zu. Wie süß sie aussah – keinen Tag älter als siebzehn. Die grauen Strähnen in ihrem Haar sowie die Fältchen in ihrem Gesicht nahm er nicht wahr. Einzig ihre strahlenden Augen, ihre aufgeregte Miene, die Stupsnase und die hübschen Grübchen sah er. Es hätte dieselbe Jujú sein können, die ihm vor mehr als dreißig Jahren ein wüstes Sammelsurium an Technikbüchern mitgebracht hatte.
Abrupt hielt Jujú das Blatt vor ihrem Gesicht hoch, so dass nur noch ihre Augen dahinter zu sehen waren.
»Oh … das
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