So weit der Wind uns trägt
Mund. »Hier, probier mal. Sie ist köstlich.«
»Igitt. Ich wusste gar nicht, dass sich so etwas überhaupt in meiner Küche befindet. Wahrscheinlich futterst du gerade die Notfallration von Luiza weg.«
»Na ja, das wird dem Pummel ja kaum schaden.«
»Laura isst auch am liebsten solche Sachen. Sie tut es aber nicht, weil sie einen so bäurischen Gaumen hat wie du, sondern weil sie ihre Herkunft verleugnet.«
Herzhaft biss Fernando in eine Scheibe Brot, die er mit Käse belegt hatte. Noch kauend antwortete er: »Das glaube ich nicht. Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass sie einfach Brot, Käse und Blutwurst
mögen
könnte?«
»Nein, dieser Gedanke ist mir nie gekommen. Und ich halte ihn auch für abwegig. Laura hat eine vorzügliche Ausbildung genossen – zu der auch die Schulung der Geschmacksnerven gehörte.«
Fernando hatte den ganzen Teller in Rekordzeit leer geputzt. Er stellte ihn auf dem Nachttisch ab und kroch wieder unter das Laken zu Jujú.
»Bist du vielleicht ein bisschen neidisch, weil sie ihr Leben so lebt, wie sie es für richtig hält?«, fragte er, während seine Hand sanft über Jujús Busen glitt.
Sie schob seine Hand beiseite.
»Wieso sollte ich neidisch darauf sein, dass sie in einer Bruchbude in der Alfama haust? Oder darauf, dass sie kaum genug verdient, um sich ordentlich zu ernähren? Oder etwa darauf, dass sie in unmöglichen Kleidern herumläuft, die sie sich von einer Nachbarin aus den billigsten Stoffen nähen lässt?«
Drei Dementis sind gleichbedeutend mit einer Bejahung, sagte man das nicht immer? Und die Vehemenz, mit der Jujú ihm geantwortet hatte, ließ Fernando erst recht vermuten, dass er gar nicht so falsch gelegen hatte.
Andererseits: War Jujú nicht immer schon ein Luxusgeschöpf gewesen? Eine Frau, die materielle Sicherheit und Komfort über ihre Gefühle stellte? Wahrscheinlich sorgte sie sich ernsthaft um Laura, obwohl, wie Fernando glaubte, dazu kein nennenswerter Grund bestand. Bestimmt war sie glücklicher als Jujú, geordnete Verhältnisse hin oder her.
»Wer braucht schon schöne Kleider?«, raunte er ihr ins Ohr. Er schlug das Laken zurück und widmete sich ganz ihrem wunderbaren Körper.
Es war noch dunkel draußen, als sie erwachten. Fernando lag hinter ihr, dicht an sie gepresst, mit dem Bauch an ihrem Rücken. Einen Arm hatte er besitzergreifend über sie gelegt. Jujú spürte seine Erektion, doch sie spürte ebenfalls, dass er es eilig hatte. Wie immer. Er wollte zu Hause sein, bevor seine Kinder aufstanden und die Abwesenheit des Vaters bemerken konnten. Wie gern hätte Jujú sich und ihm morgens noch Zeit gelassen, wie sehr sehnte sie sich jetzt nach einem Liebesspiel, das dieses Namens würdig war. Stattdessen würden sie hastig einen Akt vollziehen, der seinen Hunger stillte, bei ihr aber erst den Appetit anregte. Sie wehrte seine Liebkosungen ab.
»Ich muss aufstehen.« Fernando schaute auf seine Armbanduhr. »Überleg dir das noch einmal mit Buçaco. Nächsten Dienstag und Mittwoch.« Er zog sich rasch an, beugte sich zu Jujú hinab und gab ihr einen keuschen Kuss auf den Mund.
»Adeus, meu amor.«
Luiza Mendes war, nicht zum ersten Mal, pikiert über die späte Uhrzeit, zu der die Senhora aufstand. Faules Gesindel, das! Wer schlief denn so lange? Ordentliche Leute ganz sicher nicht. Es war ja schon nach zehn Uhr. Luiza beschloss, mit ein wenig mehr Elan als üblich Möbel zu rücken und zu fegen und mit dem Geschirr zu klappern. Es wirkte. Gegen halb elf bequemte die Dame sich an den Frühstückstisch.
»Luiza, ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du nicht so einen Krawall veranstalten sollst. Ich brauche meinen Schlaf.«
»Sehr wohl, Dona Juliana.«
»Vielleicht solltest du später anfangen. Es gibt eigentlich keinen Grund dafür, warum du schon um acht hier sein solltest.«
Nur meinen Lohn, dachte Luiza.
»Dein Lohn bliebe derselbe – du kommst morgens einfach drei Stunden später und bleibst dafür abends ein oder zwei Stunden länger.« Ihre Herrin lächelte sie an. »Na, das ist doch quasi eine Lohnerhöhung. Freust du dich nicht?«
Mühsam gelang es Luiza, ihre Wut zu zügeln. »Doch, natürlich, Dona Juliana. Vielen Dank auch, Dona Juliana.«
Luiza verließ das Esszimmer und ging in das Schlafzimmer, um das Bett zu richten. Sie schüttelte die Laken so kraftvoll aus, dass der Stoff dabei ein knallendes Geräusch produzierte. Es war unerhört, wie hier einfach über ihre Zeit bestimmt wurde. Und wenn sie nun
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