So weit der Wind uns trägt
spazieren gehen noch mich unter all die nierenkranken Kurgäste in Luso mischen.«
»Na, dann eben nicht.« Fernando schaute gekränkt drein.
»Ach, Liebster, sei doch nicht gleich beleidigt. Lass uns lieber wieder nach Sintra oder Estoril fahren – ohne dass du dort irgendwelche Termine hättest.« Nach kurzem Nachdenken fuhr sie fort: »Was hast du eigentlich mit den Spaniern zu schaffen?«
Fernando rollte sich auf den Rücken und sah an die Decke. Gute Frage, dachte er. Sie aufrichtig zu beantworten fiel ihm allerdings schwer. Er wollte Jujú nicht mit militärischen Grenzpatrouillen und ähnlichen Geschichten belästigen – er wusste genau, dass sie solche Themen grässlich fand.
Also fasste er sich kurz und versuchte, sich eines neutralen Vokabulars zu bedienen. »Sogar England und Frankreich werden früher oder später das Franco-Regime anerkennen. Uns bleibt da wohl kaum eine andere Wahl, als uns mit den Spaniern zu arrangieren.«
Fernando war immer schon pragmatisch gewesen. Dass nicht nur die Regierung des Nachbarlandes, sondern auch diejenige Portugals immer offener mit den Nazis sympathisierte, gefiel ihm überhaupt nicht. Dennoch erschien es ihm als das geringere Übel – die Alternative in Spanien wäre ja wohl nur eine Diktatur nach stalinistischem Vorbild gewesen, und schnell wären die bolschewistischen Tendenzen nach Portugal geschwappt. Dann lieber der Estado Novo, der »Neue Staat«, wie Salazar ihn ausgerufen hatte – was dem an Demokratie fehlte, machte er durch innere politische Ruhe wett. Weder war ein Bürgerkrieg ausgebrochen, noch waren sie in das Gerangel der europäischen Großmächte involviert. Der Große Krieg saß Fernando noch immer in den Knochen.
»Aha«, sagte Jujú in unüberhörbar sarkastischem Ton, »Männerangelegenheiten.«
»Ja – wenn du findest, dass die Politik, der Krieg und die Geschicke Portugals Männerangelegenheiten sind. Ich sehe das anders. Ich finde, dass es dich genauso wie mich interessieren sollte, was mit unserem Land passiert.«
»Tja, so wie es die Männer genauso wie die Frauen interessieren sollte, was ihre Kinder so treiben, womit sie sich beschäftigen, wovor sie Angst haben.«
»Genau«, pflichtete er ihr bei, obwohl er im Grunde seines Herzens fand, dass der Umgang mit Kindern sich erst dann lohnte, wenn sie etwas größer waren. Wenn überhaupt – Jujús Tochter Laura und ihr Sohn Paulo waren ja der beste Beweis dafür, dass auch erwachsene Kinder einem nicht nur Freude bereiteten.
Jujú schien seine Gedanken lesen zu können. »Du denkst, dass ich bei der Erziehung meiner Kinder versagt habe, nicht wahr?«
»Bitte, Jujú, fang doch nicht wieder damit an.« Sie hatten sich so oft darüber gestritten, dass Fernando es wirklich leid war. »Ich mische mich da nicht gerne ein, wie du weißt. Und wenn du trotzdem immer wieder nachbohrst, um meine Meinung zu hören, dann sei darauf gefasst, dass du sie zu hören bekommst, und wirf mir meine Ehrlichkeit nicht vor.«
Er schwang die Beine aus dem Bett und setzte sich auf die Kante. »Außerdem habe ich Hunger. Soll ich dir etwas aus der Küche mitbringen?«
»Nein, danke.« Jujú sah ihm nach, wie er splitternackt das Schlafzimmer verließ. Was für ein Körper, selbst jetzt noch! Sie hörte ihn in der Küche rumoren und war froh, dass sie gerade heute ein paar feine Delikatessen hatte ergattern können – französischen Ziegenkäse, Feigensenf, belgische Pralinen –, die für einen späten Imbiss im Bett genau richtig waren.
Als Fernando zurückkam, betrachtete Jujú zunächst nur seinen herrlichen Körper. Abgesehen von den mit Weiß durchsetzten Brusthaaren hatte sich daran auch von vorn nicht viel geändert. Ein straffer Bauch, eckige, muskulöse Brüste und ein schönes Geschlechtsteil – nicht, dass sie schon viele andere gesehen hätte –, auf dem ihr Blick zu lange ruhte. Von sich selber peinlich überrascht, schaute sie bewusst hoch in sein Gesicht. Er kaute und grinste sie dabei an. Dann fiel ihr Blick auf den Teller, den er in der Hand hielt.
»Meine Güte, Fernando, hast du nichts Besseres auftreiben können?« Auf dem Teller lagen zwei Scheiben von dem Weißbrot, das die Angestellten immer aßen, ein Stück alentejanische Blutwurst sowie ein runder, einfacher Frischkäse.
»Nein. Es war das Beste, was ich entdecken konnte. All das andere Zeug kam mir zu … fein vor.« Er setzte sich aufs Bett, schnitt ein Stück von der Blutwurst ab und hielt es vor Jujús
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