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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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vermerkt.«
    »Und?« Fernando musste mühsam seine Wut im Zaum halten. Er ahnte, worauf das alles hinauslief.
    »Und – ich könnte mir vorstellen, dass es für einen Mann in Ihrer Stellung nicht gerade förderlich wäre, wenn die Öffentlichkeit von dieser Liaison erfahren würde.«
    »Von welcher Liaison genau sprechen Sie? Glauben Sie allen Ernstes, dass ein uraltes Foto irgendetwas beweist?«
    »Ja.« Paulo hätte dem Mann, der sich erstaunlich kaltblütig verhielt, gern die ganze Wahrheit hingeknallt. Doch womöglich freute der Alte sich sogar, wenn er erfuhr, dass Laura seine Tochter war.
    »Also, ich sehe in dem Foto zwei Personen, mich und eine alte Bekannte aus Kindertagen, die sich in rein freundschaftlicher Umarmung dem Fotografen stellen, was sicher auf den Einfluss der Umgebung und des schönen Wetters zurückzuführen ist.«
    »So? Ich sehe in dem Foto zwei Personen, Sie und meine Mutter, die sich verliebt aneinanderklammern und ganz offensichtlich einen Urlaub in ehebrecherischer Absicht miteinander verbracht haben.«
    »Das, junger Mann, ist allein Ihr Problem. Da Sie offenbar mit diesem Foto nichts anzufangen wissen, möchte ich Sie allerdings bitten, es mir zu überlassen. Für mich hätte es wenigstens einen gewissen … Erinnerungswert.«
    Paulo frohlockte schon. Aha, dachte er, also doch. Der Alte wollte es ihm abkaufen. Nun musste er sich behutsam vortasten, um ihn nicht vollends zu verprellen.
    »Nun, ich wäre bereit, Ihnen das Bild, das meine Mutter als junge Frau zeigt und daher natürlich auch für mich einen hohen Wert hat, zu geben – nicht ohne Gegenleistung, versteht sich.«
    Fernando schwieg. Er war versunken in die Betrachtung des Bildes, von dem er selber keine Kopie hatte. Was waren das für wundervolle Tage gewesen! Wie jung und verliebt sie aussahen! Meine Güte, mehr als zwanzig Jahre war das schon her. Wo waren all diese Jahre geblieben? Er hätte ein Vermögen für dieses Foto gegeben, das ihn an eine Zeit erinnerte, als ihre Liebe noch frisch war, als sich die Hoffnung, alles würde sich – irgendwann, irgendwie – zum Guten regeln, noch nicht in Alltagssorgen und Routine aufgelöst hatte. Aber er konnte und wollte diesen Widerling, diesen Dieb und Erpresser, nicht noch für seine Verbrechen belohnen.
    »Na, dann eben nicht. Ich bin sicher, dass Ihnen die Presse ein paar Escudos dafür zahlt. Gerade jetzt, da man über mich ziemlich viel schreibt, ist man bestimmt froh, ein so nettes Bild von mir in jüngeren Jahren abdrucken zu können. Mir selber käme das ebenfalls sehr entgegen. Die aktuellen Fotos von mir sind doch eher … nicht so schmeichelhaft wie dieses.«
    Paulo war einen Augenblick lang sprachlos. Der alte Sack wollte nicht mitspielen. Damit hatte er nicht gerechnet.
    »Auf Nimmerwiedersehen, junger Mann. Und richten Sie Ihrer Frau Mama die herzlichsten Grüße von mir aus.«
    Die Audienz war beendet. Paulo schäumte vor Wut. Aber was konnte er tun? Er stand ratlos im Büro des Generals und überlegte fieberhaft, wie es ihm noch gelingen konnte, den Spieß umzudrehen, als er die kalte, befehlsmäßige Stimme des Mannes vernahm: »Und bestellen Sie ihr ebenfalls mein aufrichtiges Beileid. Einen Mistkerl wie Sie als Sohn zu haben, das hat Dona Juliana nicht verdient.«
    Paulo drehte sich auf dem Absatz herum, stapfte mit hochrotem Kopf an dem Sekretär im Vorzimmer vorbei und bemühte sich, weder dem Fahrstuhl noch den Glastüren unten am Empfang durch Fußtritte oder ähnliche Attacken größeren Schaden zuzufügen. Ruhe bewahren, sagte er sich, nur die Ruhe bewahren. Kommt Zeit, kommt Rat.
    Fernando saß unbeweglich hinter seinem Schreibtisch. Er hatte den Sekretär angewiesen, in der nächsten halben Stunde weder Anrufe noch Besucher zu ihm vorzulassen und überhaupt nie wieder irgendwelche »Neffen«. Er war schockiert. Was war das für eine Welt, in der sie lebten? In der Schweine wie Paulo da Costa ihr Unwesen trieben, Leute, die ihre eigene Mutter verkaufen wollten? Zu gern hätte Fernando jetzt Jujú angerufen, ihr von diesem abscheulichen Erlebnis berichtet. Aber konnte er das wirklich tun? Sie würde, wie es sich für eine normale Mutter gehörte, die Partei ihres Sohnes ergreifen. Wahrscheinlich würde sie ihm nicht einmal glauben, was hier gerade vorgefallen war. Sie würde ihn der maßlosen Übertreibung bezichtigen, würde schlichtweg abstreiten, dass ihr geliebter Paulinho zu solchen Schandtaten fähig war, und würde, wenn er sie nach dem

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