So weit der Wind uns trägt
conglobata
, las Ricardo, war die schwerste Form der Akne, mit
Riesenkomedonen
und
Abszessen
. Sie führte zu
schweren Vernarbungen
. Eine der Ursachen waren die
Androgene
, die männlichen Sexualhormone. Zu viel
Testosteron
erhöhte die Gefahr,
Seborrhoe
– fettige Haut infolge verstärkter Talgabsonderung – zu bekommen. Außer solchen
Sekretionsstörungen
konnte Testosteron auch zu
Verhornungen
im
Talgdrüsenausführungsgang
und damit zu Akne führen. Dass die
Prädilektionsstellen
der Akne vor allem Gesicht, Brust und oberer Rücken waren, sah er selber. Es war widerlich. Es war genauso abstoßend wie die Wörter, die das medizinische Nachschlagewerk seines Onkels aufführte.
Was in dem Lexikon nicht stand, war die Demütigung, die diese Form des Aussatzes mit sich brachte. Wie hatte er es jemals so eilig damit haben können, sechzehn Jahre alt zu werden? Hätte er früher geahnt, dass solche Entstellungen mit dem Erwachsenwerden einhergingen, er hätte sich gewünscht, ewig Kind zu bleiben. Die ekligen Pickel waren der krönende Gipfel einer Reihe beunruhigender Veränderungen seines Körpers, seiner Stimme, seiner Haut und seines Haarwuchses. Dass die Barthaare, die sich andere Jungen seines Alters so sehnlichst wünschten, bei ihm reichlich sprossen, machte es nicht gerade leichter. Wie sollte er sich in Dreiteufelsnamen rasieren, wenn dicke rote Pusteln mit weißem Eiterkopf das sanfte Gleiten des Rasierers verhinderten? Ricardo hasste sich – und er wusste, dass die Mädchen es auch taten.
Sogar die dicke Sónia, die ihm noch vor drei Jahren schöne Augen gemacht hatte und mit der er sich damals nicht im Traum abgegeben hätte, verschmähte ihn jetzt. Nun gut, um die war es ja nicht schade. Leid tat ihm nur, dass nicht einmal mehr Alda ihn anschauen konnte, ohne sofort peinlich berührt wegzusehen. Er fand Alda süß. Sie waren sogar schon einmal miteinander gegangen, mit vierzehn, als ein trockenes Küsschen auf die Lippen des anderen für sie das größte erotische Abenteuer gewesen war, das sie sich vorstellen konnten. Heute konnte Ricardo sich durchaus andere Sachen vorstellen – nur leider ließ ihn ja keine ran.
Also musste er sich weiter an das Lexikon von Onkel Inácio halten. Es war ein veraltetes Buch, das noch aus der Zeit stammte, in der sein Onkel Medizin studiert hatte, bevor er nach zwei Semestern aufgab und als »Korkeichen-Mogul« in den Alentejo zog. Aus dem Mogul war inzwischen ein bescheidener Bauer geworden, und Tante Octávia, die die Ländereien mit in die Ehe gebracht hatte, zeterte permanent über die Unfähigkeit ihres Mannes. Vielleicht wäre er doch besser Arzt geworden, dachte Ricardo, denn als Gutsherr taugte er wahrhaftig nichts. Immerhin war es Onkel Inácios spärlicher medizinischer Bibliothek zu verdanken, dass Ricardo wenigstens ein bisschen über weibliche Körper erfuhr. Nur nicht das, was er gern wissen wollte.
In dem Lexikon fand er alles über die Fortpflanzungsorgane, über
Follikel
und
Eierstöcke
und
Gebärmutterhälse
und andere Sachen, die beinahe genauso widerwärtig waren wie seine Akne. Er fand exakte, aber entweiblichte Zeichnungen von
Geburtskanal
und
Vulva
. Was er nicht fand, waren Fotos hübscher Brüste oder zarter nackter Haut. Ebenso wenig lieferte das Nachschlagewerk ihm Erklärungen dafür, warum eine helle Frauenstimme, der schwache Duft von Maiglöckchen, der manche Mädchen umgab, oder ein lasziver Hüftschwung eine solche Wirkung auf ihn hatten. Die reine Biologie war nicht aufregender als das Betrachten einer Schaufensterpuppe, der Fortpflanzungsakt laut diesem Buch nicht sinnlicher als die Funktionsweise eines Düsenantriebs.
Wenn er sich wenigstens mit jemandem hätte austauschen können. Aber mit wem? Eine Frau kam für solche Gespräche nicht in Frage. Vor seinem Onkel Inácio war ihm diese Art von Themen peinlich. Seine Freunde konnte er ebenso wenig konsultieren, ohne sich eine Blöße zu geben – sie sollten ihn lieber für einen ganz schlimmen Finger halten, der schon die halbe weibliche Dorfbevölkerung verführt hatte. Seinen Vater, Jack, kannte er nur aus Briefen, und schriftlich würde Ricardo erst recht keine intimen Fragen stellen. Bliebe noch Felipe, der Dauerverlobte seiner Mutter. Aber der war alt, sicher schon Mitte vierzig, und hatte garantiert keine Ahnung.
Wäre die Familie noch reich gewesen, so wie vor vielen Jahren einmal, hätte man vielleicht eine Dienstmagd zu ihm ins Zimmer geschickt, um ihn zu
Weitere Kostenlose Bücher