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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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ihr Baby bekommt. Er hatte nicht einmal genügend Zeit, sie mit mir nach oben zu tragen.«
    »Habt ihr den Padre gerufen?« Ricardo sah an ihrem Blick, dass Mariana nicht mehr lange leben würde.
    Ricardo mochte keine Pfaffen. Aber er wusste, dass Oma Mariana wahrscheinlich friedlicher starb, wenn sie eine Beichte abgelegt und die Letzte Ölung erhalten hatte.
    Wieder nickte Octávia. »Er wollte kommen, sobald es ihm seine Zeit erlaubte.«
    Ricardo verfluchte den Pfarrer, der, so wie er ihn kannte, höchstwahrscheinlich zu betrunken war, um seiner Pflicht nachzukommen. Den würde er sich später vornehmen. Jetzt musste er sich erst einmal um Oma Mariana kümmern.
    »
Vovó?
Können Sie mich verstehen?« Er nahm ihre Hand und tätschelte sie. »Sie waren ein bisschen unternehmungslustig heute Abend, nicht wahr?«
    Ein kaum merkliches Lächeln huschte über das faltige Gesicht.
    »Sagen Sie, hatten Sie Hunger?«
    Sie reagierte nicht.
    »Ich weiß schon, was Sie hier unten gesucht haben.« Ricardo wandte sich an Octávia. »Hol Schokolade«, forderte er sie barsch auf. »Oder Pralinen. Oder wenn ihr gar nichts anderes da habt, hol eben die Schokomandeln aus deiner Nachttischschublade.«
    Octávia glotzte Ricardo entgeistert an. »Du warst das also?! Das ist doch wirklich das Allerletzte! Ich finde, dafür …«
    »Nun mach schon. Beschimpfen kannst du mich nachher.«
    Wenige Minuten später kam Octávia zurück. Sie hatte eine Tafel Schokolade dabei. Ricardo riss die Packung auf, brach ein Stück ab und hielt es Mariana vor den Mund. Sie öffnete die Lippen, und er legte die Schokolade auf ihre Zunge, als wäre es eine Hostie. Und nach Marianas seligem Gesichtsausdruck zu urteilen, empfand sie die Schokolade wohl auch als eine Art von christlicher Offenbarung.
    Brauner Speichel lief ihr aus dem Mundwinkel. Ricardo nahm sein Taschentuch und wischte ihn ihr sanft ab.
    »Sie wollten mir etwas sagen,
avózinha?
«
    Mariana gab nur durch das Flattern ihrer Lider zu erkennen, dass sie ihn verstanden hatte.
    »Vielleicht, dass Sie, wenn Sie erst die ganze Tafel Schokolade gegessen haben, ins Bett gehen möchten?« Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Damit Sie morgen den Rest der Süßigkeitenvorräte in Angriff nehmen können?«
    Wieder war nur durch ein winziges Zucken um ihre Augen zu erkennen, dass sie verstand, was um sie herum vorging. Dann richtete sie sich plötzlich ein wenig in ihrem Rollstuhl auf. »Nando … Ju …«, lallte sie unter größter Anstrengung.
    »Aber ja. Ich bin ja hier, und Dona Juliana wird sicher auch jeden Moment eintreffen.« Ricardo fragte sich, ob Octávia wohl daran gedacht hatte, Marianas Schwester in Lissabon zu verständigen. Dass mit ›Nando‹ Fernando und damit er selber gemeint war, bezweifelte er nicht. So hatte sie ihn ja früher schon genannt. »Die anderen kommen bestimmt auch bald. Ihre Kinder, Ihre Enkel – sie sind alle sehr in Sorge um Sie.« Ricardo wusste, dass dem nicht so war. Die anderen Kinder Marianas hatten sich seit Ewigkeiten nicht mehr auf Belo Horizonte gezeigt, und deren Kinder schon gar nicht. Höchstens Xavier und Sílvia lag vielleicht noch genug an der alten Frau, um jetzt zu ihr zu eilen. Doch sie lebten weit weg, und es war fraglich, ob Mariana bis zu ihrer Ankunft noch durchhalten würde.
    Er schob ihr ein weiteres Stück Schokolade in den Mund. »Sprechen Sie jetzt lieber nicht so viel, das strengt Sie nur unnötig an.«
    Aber sie hörte nicht auf ihn. Sie beugte sich noch ein Stück vor und holte Luft. Es klang, als würde sie ersticken. Mühsam brachte sie etwas hervor, das wie »ei Oa« klang.
    »Ja, meine Oma kommt gleich.«
    Während er sie mit einem weiteren Stück Schokolade versorgte, wagte Marisa es erstmals, etwas zu sagen. »Ich glaube, sie meint ›dein Opa‹.« Ricardo wandte sich ihr erschrocken zu. Er hatte ganz vergessen, dass sie auch hier war.
    »Blödsinn, sie hatte nie etwas mit meinem Opa zu schaffen.«
    Doch Mariana wirkte auf einmal sehr erregt. Aus ihrem Mund drangen gurgelnde Geräusche, ihre Augen waren weit aufgerissen.
    »Wollen Sie mir etwas über meinen Opa erzählen? Opa Rui?«
    Sie bekam ein Kopfschütteln zustande, bevor sie schlaff in den Rollstuhl zurückfiel.
    »Siehst du«, sagte Ricardo zu Marisa, »das war es nicht.«
    »Macht ihr beiden das unter euch aus«, meldete sich nun Octávia zu Wort, »und lasst mich ein bisschen allein mit meiner Mutter.«
    Ricardo wollte ihr widersprechen, doch dann begriff er,

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