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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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jünger als sie. Das war ihr noch nie passiert. Sonst verguckte sie sich immer in Männer, die mindestens vier bis fünf Jahre älter waren als sie selbst, weil sie ihre Altersgenossen infantil und unmännlich fand.
    »Sag mal«, fiel ihr plötzlich ein, »was ich dich nie gefragt habe: Woher hattest du eigentlich meine Adresse? Ich meine, Tante Joana wird sie dir wohl kaum gegeben haben, oder?«
    Ricardo sah Marisa an, als wäre sie von allen guten Geistern verlassen. »Wieso? Du hast sie doch selbst gesagt, damals, auf der Wache.«
    »Und das hast du dir gemerkt?«
    »Ja.«
    »Das ist … irre.«
    Ricardo mochte es nicht, wenn sein Gedächtnis in irgendeiner Form als absonderlich betrachtet wurde. Er war ja kein Zirkustier. Noch weniger aber gefiel es ihm, dass Marisa ihm anscheinend nicht glaubte. Ihr Blick drückte große Zweifel aus. Bei anderen Leuten war es ihm egal, was sie dachten. Aber bei ihr wollte er nicht als Hochstapler dastehen. Abgesehen davon war es wirklich keine große Sache, sich eine Adresse zu merken, selbst wenn sie kompliziert war.
    »Du willst mir also ernsthaft weismachen, dass du dir zum Beispiel eine ausländische Telefonnummer wie 4   597   220 so ohne weiteres merken kannst, ohne sie je gelesen oder notiert zu haben?«
    Er sah sie schief an und grinste. »Blödsinn.« Wenn er etwas noch bescheuerter fand, als sich zum Affen machen zu lassen, dann waren es solche Prüffragen. Na schön, er würde noch mal darüber hinwegsehen – aber nur wegen ihrer süßen Sommersprossen.
    »Hast du Lust, mit mir zum Stausee zu fahren?«, wechselte er abrupt das Thema.
    »Mitten in der Nacht?«
    »Dann ist er am schönsten. Wenn der Mond sich in der Oberfläche spiegelt.«
    Marisa war das alles nicht ganz geheuer. Es ging zu schnell. Andererseits waren draufgängerische Typen eindeutig den lahmen vom Schlag eines Sérgio vorzuziehen. Sie nickte. Wenig später nahm Ricardo sie an der Hand und schleuste sie durch das dicht besetzte Café in Richtung Tür. Marisa war sich der Blicke all der anderen Gäste durchaus bewusst. Ricardo ebenfalls. Es erfüllte ihn mit Stolz und einem Gefühl des Triumphs, dass er händchenhaltend mit dem schönsten Mädchen gesehen wurde. Er setzte seine gleichmütigste Miene auf, hörte aber sein Herz laut schlagen. Es hörte auch nicht auf, unnatürlich laut in seinen Schläfen zu pochen, als sie schließlich schweigend durch die einsame Landschaft fuhren.
    Marisa, die froh war, dass sie nicht selber am Steuer saß, blickte starr geradeaus. Das Fahrzeug machte ein paar heftige Sätze, als sie über einen Feldweg rumpelten. Dann lag auf einmal der See vor ihnen. Ricardo hatte nicht zu viel versprochen. Es war eine Szenerie von übernatürlichem Zauber. Marisa vergaß ihre ganze Anspannung, stieg aus und bestaunte den Mond in der spiegelglatten Oberfläche.
    Ricardo stellte sich neben sie und warf ein Steinchen ins Wasser. In den winzigen Wellen brach sich der Mond. Es war ebenso faszinierend anzusehen wie ein flackerndes Kaminfeuer. Doch der Augenblick, in dem nur das glitzernde Wasser und die würzige, nach Erde und Wald riechende Luft ihre Sinne betörten – der Moment, in dem sie sich ihrer selbst nicht bewusst waren –, ging viel zu schnell vorüber. Dann waren sie plötzlich wieder da, die Nervosität und die Unsicherheit, das Herzklopfen und die feuchten Hände.
    Als Marisa spürte, dass sich Ricardos Arm um ihre Taille legte, hielt sie kurz die Luft an. Er zog sie zu sich heran, und sie wandte ihm erwartungsvoll ihr Gesicht zu. Sie sahen einander aus so großer Nähe in die Augen, dass sie jede Wimper und jeden Tupfen in seiner Iris wie durch ein Vergrößerungsglas wahrnahm. Er duftete gut, eine herbe Mischung aus Motoröl und Rasierwasser. Sie schloss die Augen.
    Kaum eine Sekunde später lagen seine Lippen auf ihren und seine Hände auf ihrem Rücken. Sie schoben sich sachte unter ihre Bluse, während ihr Kuss immer inniger wurde. Marisas Atem beschleunigte sich. Sie hatte Mühe, durch die Nase zu atmen. Ihre Münder lösten sich voneinander, schnappten nach Luft, fanden einander wieder und verschmolzen zu einem Spiel, in dem Lippen, Zunge und Zähne von allein zu wissen schienen, was sie zu tun hatten. Zu einem feuchten und erregenden Spiel. Beide keuchten. Ricardos Hände wanderten hinab zu Marisas Po und hoben sie sacht an. Marisa umklammerte Ricardos Schultern und stellte sich auf die Zehenspitzen. Er presste sie so fest an sich, dass sie seine Erektion

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