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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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viel zu rasch an ihr vorbeieilte, als dass sie ihren vorbereiteten Spruch hätte ausrufen können?
    Sie hörte die Kirchenglocken von Santos-o-Velho dreimal läuten. Noch eine Viertelstunde. Sie war viel zu früh hier gewesen, und mit jeder Minute Wartezeit klopfte ihr Herz schneller. Der Verkäufer am Kiosk musterte sie bereits argwöhnisch, als sei sie nicht in der Lage, eine der Zeitungen, in denen sie herumblätterte, zu kaufen. Vielleicht sollte sie die nächsten zehn Minuten in der Kirche verbringen? Dort fiel sie wenigstens nicht unangenehm auf, wenn sie nur dastand. Doch dann verpasste sie möglicherweise Fernando, und dieses Risiko wollte Jujú keineswegs eingehen. Nicht, nachdem sie so lange mit sich gerungen hatte, ob sie überhaupt hierherkommen und eine Begegnung herbeiführen sollte.
    Sie kaufte ein Modejournal und bat den mürrischen Kioskverkäufer um ein Band, um die Zeitschrift damit zusammenzurollen. Dafür ließ sie sich so viel Zeit wie möglich. Anschließend versuchte sie, die Zeitschriftenrolle in ihrer Handtasche zu verstauen, doch sie passte nicht hinein. Jujú klemmte das Journal schließlich unter ihren Arm und ging gemächlich in Richtung Kirche. Vor dem Portal sah sie sich kurz um, ob Fernando inzwischen nicht bereits auf der Straße war. Aber nein, so früh würde er sich noch nicht auf den Weg machen.
    Sie schlüpfte durch die schweren Vorhänge hinter der Tür in die Igreja de Santos-o-Velho, bekreuzigte sich mit Weihwasser und setzte sich auf eine der hinteren Bänke. Der Duft von Weihrauch lag in der Luft, sicher noch von dem gestrigen Hochamt. Außer ihr befanden sich gerade einmal vier Personen hier, jede einzelne davon in stiller Andacht versunken. Oder in Gedanken. Eine Frau, die einige Reihen vor ihr saß, schien zu weinen. Ihre Schultern bebten, und Jujú ließ sich einen Moment von ihren eigenen Sorgen ablenken. Schließlich wandte Jujú den Blick von der Frau ab und ließ ihn unstet durch das barocke Gotteshaus schweifen. Ihre Nervosität war kaum noch zu ertragen. Wenn Fernando nun in genau diesem Augenblick an der Kirche vorbeiging? Sie öffnete ihre Handtasche, zog eine Spiegeldose daraus hervor und betrachtete sich darin. Himmel, schoss es ihr durch den Kopf, was für ein Frevel! Andererseits: Wer bemerkte es schon, außer vielleicht dem lieben Gott? Und der hätte bestimmt Verständnis dafür, dass sie für die bevorstehende Begegnung hübsch aussehen wollte.
    Aber tat sie das überhaupt? Konnten dicke Schichten von Puder den müden Ausdruck ihres Gesichts verdecken? Konnten elegant gelegte Wellen, dezent geschminkte Augen und der durch eine Perlenkette betonte Schwanenhals irgendjemanden darüber täuschen, dass sie schon lange nicht mehr die junge Schönheit vom Lande war? Würde Fernando sie überhaupt erkennen? Hätte sie nicht doch besser einen alten Schal umgelegt, an den Fernando sich möglicherweise erinnerte? Ach was, so ein Unsinn! Wer bezauberte schon einen Mann mit unmodischen Accessoires? Sie war genau richtig gekleidet, in einem grauen Kostüm, das weder zu konservativ noch allzu mondän wirkte, das ihre Kurven aufs Schönste betonte und dabei nicht im Geringsten vulgär aussah. Sie hatte lange genug gebraucht, um sich für dieses Kostüm zu entscheiden, und es war für diesen Anlass absolut perfekt.
    Als Jujú im Spiegel sah, dass jemand die Kirche betrat, steckte sie die Dose schnell wieder ein. Sie stand auf, machte im Mittelgang einen angedeuteten Knicks in Richtung Altar, bekreuzigte sich hastig und verließ das Gebäude.
    Draußen hatte ein dünner Nieselregen eingesetzt. Sie spannte ihren Schirm auf und sah sich verstohlen nach allen Seiten um. Bei diesen Wetterverhältnissen war es noch auffälliger, wenn sie einfach nur irgendwo stand und in die Richtung von Fernandos Haus starrte. Sie musste sich bewegen, und dazu musste sie schleunigst eine Entscheidung treffen: Sollte sie ihm entgegengehen oder lieber zur Haltestelle schlendern? Jujú entschied sich für den Weg zur Haltestelle. Sie erreichte sie in demselben Moment, in dem die Kirchenglocken die volle Stunde schlugen. Neun Uhr. Sie sah sich nach allen Seiten um, doch von Fernando war weit und breit nichts zu sehen. Dafür näherte sich die Straßenbahn mit einem nervtötenden Bimmeln.
    Jujú stieg nicht in den überfüllten Wagen. Einige Fahrgäste, die sich ein Fleckchen auf den beschlagenen Scheiben freigerieben hatten, um eine bessere Sicht nach draußen zu haben, schauten sie verwundert

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