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So weit die Hoffnung trägt - Roman

So weit die Hoffnung trägt - Roman

Titel: So weit die Hoffnung trägt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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er. »Gleich neben Wall Drug.« Er betätigte den Blinker, warf einen Blick in den Rückspiegel und fuhr los in Richtung Stadt.
    Ann’s Motel war ein kleiner Gasthof an der Hauptstraße von Wall, westlich des Wall-Drug-Komplexes gelegen. Der Mann fuhr auf den Parkplatz des Motels und hielt mit seinem Truck vor der Eingangstür. Ich stieg aus und half dann Pamela, hielt ihren Arm, während sie herauskletterte.
    »Danke«, sagte ich zu dem Mann.
    »Keine Ursache. Vergessen Sie Ihren Rucksack nicht.«
    »Danke, Sir«, sagte Pamela.
    »Gern geschehen, Ma’am«, erwiderte er freundlich.
    Ich schloss hinter Pamela die Tür und schnappte mir meinen Rucksack von der Ladefläche des Trucks. Ich schlug mit einer Hand auf den Truck, und er ratterte davon.
    Pamela humpelte zu einer Holzbank nahe der Lobby des Motels, während ich hineinging, um mich nach Zimmern zu erkundigen. Zum Glück war das Motel nicht voll belegt,und ich bekam zwei Zimmer zu ebener Erde. In der Lobby gab es einen kleinen Kühlschrank mit Glastür, in dem Getränke zum Verkauf angeboten wurden, und ich nahm eine Flasche Gatorade. Dann ließ ich mir von der Angestellten unsere Schlüssel geben und ging wieder hinaus zu Pamela. Ich reichte ihr einen Schlüssel und die Gatorade. »Sie sollten das jetzt gleich trinken. Das wird Ihnen helfen.«
    »Danke.« Sie verstaute die Flasche in ihrer Handtasche.
    »Ich habe für Sie ein Zimmer im Erdgeschoss bekommen. 111, gleich dort drüben.«
    Pamela stand allein auf, ihre Tasche über die Schulter geschlungen. »Können wir jetzt reden?«
    »Noch nicht«, sagte ich. »Ich will, dass Sie das hier trinken und sich ein bisschen ausruhen. Ich werde sehen, was es drüben in der Drogerie an Lebensmitteln gibt, und später werden wir essen gehen. Dann können wir reden.«
    »Danke«, sagte sie. »Danke.«
    »Bedanken Sie sich nicht bei mir. Sie haben mir keine Wahl gelassen.«
    »Wir haben immer eine Wahl«, sagte sie.
    Angesichts der Umstände unserer Beziehung fand ich ihren Kommentar faszinierend. Ich half ihr zu ihrem Zimmer und ging dann in mein eigenes.
    Mein Zimmer war ein kleines Rechteck, möbliert mit zwei Einzelbetten mit steifen Matratzen und altmodischen Bettdecken mit Blümchenmuster. Nach so vielen Tagen ohne jeden Komfort war es mir so willkommen wie eine Suite im Vier Jahreszeiten.
    Ich lehnte meinen Rucksack an die Wand und ließ mich aufs Bett fallen. Ich fragte mich, was Pamela so Wichtiges zu sagen hatte, dass sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um mir zu folgen. Was konnte sie zu ihrer Rechtfertigung bloßsagen wollen? Vor allem fragte ich mich, was McKale von alledem gehalten hätte.
    Ich weiß noch, wie ich McKale zum ersten Mal fragte, wo ihre Mutter sei. Ich war erst neun Jahre alt und hatte meine eigene Mutter kaum ein Jahr zuvor verloren, daher war das Thema Mütter für mich interessant. Vor allem abwesende Mütter.
    »Wir haben sie rausgeschmissen«, sagte McKale.
    Ich sah sie verblüfft an. »Warum habt ihr das getan?«
    »Ich und mein Dad, wir wollen sie nicht mehr haben. Wir haben sogar ihre ganzen Bilder weggeworfen, damit wir sie nicht mehr ansehen müssen.«
    Ihre Antwort war das Seltsamste, was ich je gehört hatte. Selbst in dem Alter nahm ich an, dass hinter ihrer Geschichte mehr steckte, aber ich wusste auch, dass ich besser nicht danach fragte.
    Eine Woche später waren wir in McKales Garten und kletterten einen Avocadobaum hoch, als ein Blatt Papier aus ihrer Hosentasche fiel. Ich sprang hinunter und hob es auf, dann faltete ich es auseinander. Es war ein zerknittertes Foto einer Frau.
    »Wer ist das?« Ich hielt das Bild hoch.
    McKale blickte entsetzt. »Niemand.«
    »Das stimmt doch nicht«, sagte ich.
    McKale kletterte von dem Baum herunter. »Wenn du es unbedingt wissen musst, das ist meine Mom.«
    »Ich dachte, du hättest gesagt, ihr hättet die ganzen Bilder weggeworfen«, sagte ich, naiverweise erfreut darüber, McKale bei einer Lüge ertappt zu haben.
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Du bist so dumm«, sagte sie. Sie rannte ins Haus und ließ mich allein in ihrem Garten stehen, mit dem Bild von Pamela in der Hand,während ich mich fragte, was ich denn falsch gemacht hatte.
    Diese Erinnerung ging mir so lange wieder und wieder durch den Kopf, bis ich die Augen schloss und einschlief.

Siebtes Kapitel
    Sobald man das Buch zum Leben eines anderen Menschen aufgeschlagen hat, sieht der Umschlag nie wieder so aus wie davor.
    A LAN C HRISTOFFERSENS T

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