So weit die Hoffnung trägt - Roman
AGEBUCH
Erschrocken fuhr ich aus dem Schlaf hoch. Ich hatte gar nicht vorgehabt zu schlafen, aber nachdem ich die letzten drei Nächte auf der harten Erde verbracht hatte, war ich weggetreten, bevor ich es überhaupt mitbekam. Als ich einen Blick auf die Uhr warf, sah ich, dass es fast Viertel vor neun war. Ich stöhnte auf. »Pamela.«
Ich ging ins Bad und wusch mir das Gesicht, dann verließ ich mein Zimmer und klopfte an Pamelas Tür. Sie machte sofort auf. »Ich habe mich schon gefragt, ob Sie es sich anders überlegt haben.«
»Nein. Tut mir leid, ich bin eingeschlafen. Sind Sie so weit?«
Vermutlich hatte sie seit mehreren Stunden gewartet, aber sie nickte nur. »Ich bin so weit.« Sie kam heraus und schloss die Tür. »Danke.«
Wall Drug ist nicht mehr der einzelne Laden, als der er anfing – es ist jetzt eine lange Reihe von Gebäuden, die aussehen wie eine Kreuzung zwischen einer Einkaufspassage und der Westernstadt-Kulisse eines Filmstudios. Das Wall-Drug-Restaurant befand sich etwa in der Mitte des Komplexes.
Ich hielt Pamela die Tür auf, und wir betraten einen großen Speiseraum, der durch eine offene Küche und eine lange Reihe Cafeteria-artiger Tablettschienen in zwei Essbereiche unterteilt wurde.
In dem Sitzbereich an der Straßenseite gab es eine Eisbar und eine Kuchentheke mit Pasteten, Brownies und anderem Gebäck, darunter eine Platte mit ihren berühmten »Kostenlos-für-Veteranen«-Donuts.
Die holzgetäfelten Wände waren mit Cowboy-Kunst behängt: Gemälden von Cowboys, Pferden und Indianern. Sie standen alle zum Verkauf – was für so ziemlich alles in dem Gebäude galt.
Nur ein Paar saß im Speiseraum. Pamela folgte mir zu einem Tisch in der südwestlichen Ecke des Raums – am anderen Ende von den beiden.
»Hier können wir uns setzen«, sagte ich. »Was möchten Sie essen?«
»Was immer Sie bestellen, ist mir recht«, erwiderte Pamela.
Nachdem ich einen Blick auf die handgekritzelte Menütafel geworfen hatte, bestellte ich zwei Gläser Cola, zwei Tassen Hühnernudelsuppe und French-Dip-Sandwiches. Ich bezahlte das Essen und ging zurück zu unserem Tisch, wo Pamela still dasaß. Einen Moment lang sahen wir uns nur an, dann schlug ich mit den Händen vor mir auf den Tisch. »Worüber wollten Sie reden?«
Pamela holte einmal tief Luft. »Ich bin mir nicht sicher, wo ich anfangen soll.«
Einen Augenblick später sagte ich: »Warum fangen Sie nicht damit an, warum Sie Ihre Tochter im Stich gelassen haben?« Meine Worte klangen härter als beabsichtigt.
Sie nickte. »Na schön.« Sie senkte lange Zeit den Blick. Als sie wieder zu mir hochsah, lag auf ihrem Gesicht eine düstere Traurigkeit. »Ich will, dass Sie etwas verstehen. Was ich Ihnen sagen werde, ist keine Entschuldigung. Es ist nur eine Erklärung. Wenn ich heute anders handeln könnte, würde ich es tun.« Sie sah mir in die Augen, um zu sehen, ob ich sie verstanden hatte.
»Okay«, sagte ich.
Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl etwas zurück. »Ich sollte ganz von vorn anfangen.« Sie holte noch einmal tief Luft. »Ich war zu jung, als ich Sam geheiratet habe. Ich war erst achtzehn. Viel zu jung. Mein Leben zu Hause war so fürchterlich, und vermutlich suchte ich einfach nach einer Möglichkeit, von dort wegzukommen. Meine Eltern haben sich ständig gestritten. Sie haben sich jeden Tag angeschrien und angebrüllt. Manchmal wurden ihre Auseinandersetzungen sogar gewalttätig. Einmal riefen die Nachbarn die Polizei, aber als die Cops eintrafen, brüllten meine Eltern sie nur an. Die Polizisten fuhren kopfschüttelnd wieder ab. Es war Wahnsinn.«
»Waren sie Ihnen gegenüber je gewalttätig?«, fragte ich.
»Meine Mutter hat mich ein paarmal geschlagen. Aber noch schlimmer war es, zu sehen, wie die beiden einander wehgetan haben. Ich habe mich immer in meinem Wandschrank verkrochen, mir die Hände über die Ohren gehalten, um sie nicht zu hören. Aber natürlich habe ich jedes Wort mitbekommen. Ich dachte immer, es wäre meine Schuld. Ich weiß, das ist Unsinn, aber Kinder sind eben nicht sehr rational.
Dieses Muster dauerte meine ganze Kindheit über an. Ich weiß nicht, warum sie keine Hilfe gesucht oder sich einfach in Ruhe gelassen haben. Sie waren einfach krank, nehme ich an. Oder ihre Beziehung war es. Das war eben ihr Kreislauf. Aber ich habe mich nie daran gewöhnt.
Als ich alt genug war, habe ich mir einen Job gesucht, als Bedienung in einem Pfannkuchenhaus. Ich habe so viel gearbeitet, wie ich konnte, und
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