So weit die Hoffnung trägt - Roman
stecken. Dann ging ich zurück zu meinem Zimmer und dem Fernseher. Schließlich, um elf Uhr, ging ich noch einmal zu dem Waschsalon und sammelte meine ganzen Sachen ein.
Wieder in meinem Zimmer, warf ich alles auf die Kommode, bevor ich das Licht ausschaltete und ins Bett stieg. Erst dann, während ich in die Dunkelheit starrte, gestattete ich meinen Gedanken, noch einmal zu Pamela und dem Gespräch des Abends zurückzukehren. »Was soll ich tun, McKale?«, sagte ich laut. »Was meinst du, was ich tun soll?«
Mit diesen Worten auf meinen Lippen schlief ich ein.
Achtes Kapitel
Mein Vater pflegte zu sagen:
»Mitleid ist nur die Empathie des armen Mannes.«
A LAN C HRISTOFFERSENS T AGEBUCH
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die psychologischen oder natürlichen Phänomenen eine tiefere Bedeutung zuschreiben. Stattdessen verdrehe ich ungläubig die Augen, wenn irgendjemand behauptet, eine höhere Macht hätte ihm einen Parkplatz genau vor dem Wal-Mart verschafft oder eine Kartoffel hätte Ähnlichkeit mit Jesus oder der Jungfrau Maria – als ob irgendjemand eine Ahnung hätte, wie die beiden aussehen.
Ebenso wenig habe ich je an einen übernatürlichen Gehalt von Träumen geglaubt. Meine Überzeugungen basieren eher auf den gängigen Vorstellungen der Psychologie – dass Träume nur unterdrückte Gedanken sind, die nachts hinausschlüpfen, wie Jugendliche, nachdem ihre Eltern eingeschlafen sind. Trotzdem berührte mich der Traum, den ich in dieser Nacht hatte, auf eine so mächtige und merkwürdige Art und Weise, dass ich nicht umhinkonnte, mich zu fragen, woher er kam. Ich überlasse es Ihnen, zu entscheiden, worauf er beruhte. Aber ich glaube fest daran, dass er mich für immer veränderte.
In meinem Traum war ich wieder auf dem Highway 90 unterwegs, verschwitzt und überhitzt, den Rucksack schwer auf meinen Schultern, die Beine erschöpft vom Marschdieses Tages. Ich befand mich auf derselben Straße, auf der Pamela tags zuvor gestürzt war. Um genau zu sein, war es sogar exakt dieselbe Stelle und dieselbe Uhrzeit, zu der es passiert war. Ich sah sie vor mir auf dem Boden liegen, und mich selbst, wie ich mich über sie beugte, um ihr zu helfen. Zumindest glaubte ich, dass ich das tat. Als ich näher kam, konnte ich hören, wie sie vor Schmerz schrie. Das war der Augenblick, als ich sah, dass ich einen Hammer in der Hand hielt. Ich nagelte Pamela an ein Kreuz.
Ich schrie mich an, aufzuhören, aber keine der beiden Gestalten in meinem Traum konnte mich hören. Ich rannte an meine Seite und versuchte vergeblich, meinen Arm aufzuhalten. »Lass sie in Ruhe!«, rief ich. »Sie hat genug gelitten!«
In dem Augenblick wurde noch eine andere Stimme laut, noch gequälter als meine. »Hör auf! Bitte hör auf!«
Wir drei sahen auf. McKale stand vor uns auf der Straße. Sie war barfuß, und Tränen liefen ihr über die Wangen. »Hör auf«, sagte sie leise. »Hör auf, meiner Mutter wehzutun.«
Ich sah wieder hinunter, und Pamela sah mir in die Augen. »Bitte«, sagte sie. »Gnade.«
Ich wachte auf, das Bettzeug von Schweiß durchnässt. Unwillkürlich blickte ich auf die roten Ziffern auf der Moteluhr. Es war fast vier Uhr morgens. Ich brauchte eine Stunde, um wieder einzuschlafen.
Als ich aufwachte, duschte ich besonders lange. Ich saß auf dem Boden des Duschbads und ließ das warme Wasser über mich strömen, um mich zu beruhigen. Ich rasierte mich in der Wanne, dann kam ich heraus und packte meine Sachen. Um kurz nach sieben klopfte ich an Pamelas Tür. Es dauerte ein paar Minuten, bis sie öffnete.
»Entschuldigung«, sagte sie. »Ich musste mich noch fertig machen.«
Irgendwie sah sie in meinen Augen anders aus. Ob die Veränderung echt war oder nur meine Einbildung, es bestand auf jeden Fall ein Unterschied. Als ich ein Teenager war, sagte mein Vater zu mir, wenn wir jemanden hassen, dann räumen wir diesem Menschen mehr Macht ein, als er tatsächlich besitzt. Nach diesem Maßstab war Pamela in meinem Leben ein Riese gewesen. Aber jetzt nicht. Nicht mehr. Der Vorhang war zurückgezogen worden. Sie sah klein und verletzlich aus.
»Möchten Sie frühstücken gehen?«, fragte ich.
»Sehr gern.«
Im Wall Drug Diner gab es Pfannkuchen, Spiegeleier, Würstchen und Kartoffelpuffer zum Frühstück. Ich wartete auf das Essen und trug es an den Tisch, als es fertig war.
»Bitte sehr«, sagte ich, während ich das Tablett abstellte. »Frühstück ist fertig.«
»Das ist viel zu viel, aber trotzdem danke«,
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