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So weit die Hoffnung trägt - Roman

So weit die Hoffnung trägt - Roman

Titel: So weit die Hoffnung trägt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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trug das Wort mit Bleistift ein. »Wie fühlen Sie sich heute, Alan?«
    »Gut. Ich fühle mich gut.«
    »Gut ist gut.« Er erhob sich. »Ich werde Ihnen ein Frühstück machen.«
    »Immer mit der Ruhe«, sagte ich. »Lösen Sie zuerst Ihr Rätsel.«
    »Bis dahin sind Sie verhungert«, sagte er. »Mit diesem Rätsel werde ich nie fertig.« Er ging hinüber in die Küche. »Ich schaffe diese Rätsel nie.« Er schaltete den Elektroherd unter einer Bratpfanne ein. »Ich war heute Morgen auf dem Markt und habe köstlichen Sirup für unsere Pfannkuchen gekauft. Ich mag die amerikanischen Pfannkuchen. Sagen Sie Pfannkuchen oder Eierkuchen?«
    »Beides«, sagte ich. »Im Allgemeinen Pfannkuchen. Aber was uns Eierkuchen heißt, wie es auch hieße, würde lieblich schmecken.«
    »Ah ja, Shakespeare.« Leszek gab etwas Teig in die Pfanne. »Sie sind clever.« Er schob den Pfannenwender unter den Pfannkuchen und wendete ihn.
    »Ich habe viel über das nachgedacht, was Sie mir gestern Abend erzählt haben. Haben Sie Ihre Geschichte aufgeschrieben?«
    »Ich schreibe sie jetzt auf«, sagte er. »Für meine Kinder und Enkelkinder. Aber ich nehme nicht an, dass mein Sohn sie lesen wird.«
    »Warum nicht?«
    »Ich glaube, er will vielleicht nicht über solche Dinge nachdenken.«
    »Eines Tages wird er es lesen wollen«, sagte ich.
    »Ja. Vielleicht, wenn ich tot bin. Leute sind immer interessanter, wenn sie tot sind. Vor allem Eltern, meine ich.«
    Ich dachte an meinen eigenen Vater. Welche Fragen würde ich ihm stellen wollen, wenn es einmal nicht mehr möglich war?
    »Eines der Lieblingsbücher meines Vaters wurde von einem Überlebenden eines Konzentrationslagers geschrieben«, sagte ich. »Vielleicht haben Sie davon gehört:  … trotzdem Ja zum Leben sagen von …«
    »Viktor E. Frankl«, warf Leszek ein.
    »Ja. Dann haben Sie es gelesen?«
    Er lächelte. »Ja. Ich habe es gelesen. Ich kenne den Autor.«
    »Sie haben Viktor E. Frankl kennengelernt?«
    Sein Lächeln vertiefte sich. »Viktor war ein Freund von mir. Wir haben uns Briefe geschrieben.«
    »Das ist ja cool«, sagte ich. »Sehr cool.«
    Wenig später brachte Leszek die Pfannkuchen an den Tisch. Er gab mir die beiden oberen und behielt den unteren für sich.
    »Ich habe Aunt-Jemima-Sirup«, sagte er.
    »Danke.« Ich goss mir etwas Sirup über die Pfannkuchen und verteilte ihn mit der Gabel. Dann nahm ich einen Bissen. »Sie machen gute Pfannkuchen.«
    »Ha!«, sagte er. »So gut wie meine Suppe?«
    Ich lachte. Nachdem wir beide ein paar Happen gegessen hatten, sagte ich: »Ich möchte Ihnen für das danken, was Sie mir gestern Abend gesagt haben.«
    »Ich habe gestern Abend zu viel geredet. Hat es denn geholfen?«
    »Ja. Heute Morgen habe ich versucht, Kyle Craig anzurufen.«
    Er zog die buschigen Augenbrauen zusammen. »Wen?«
    »Kyle. Meinen ehemaligen Geschäftspartner. Der mich bestohlen hat.«
    »Ach ja. Sie haben ihn angerufen?«
    »Ich habe es versucht. Unter seiner Nummer ist kein Anschluss. Aber ich werde ihn schon finden.«
    »Gut. Gut.« Er nickte anerkennend.
    »Ich glaube, es war schwieriger, Gott zu sagen, dass ich Kyle vergeben habe.«
    »Vielleicht haben Sie Gott noch nicht vergeben.«
    »Vielleicht«, sagte ich. Ich wusste, dass in seinen Worten Wahrheit lag.
    »Das verstehe ich«, sagte Leszek. »Als Ania starb, da war ich sehr, sehr wütend auf Gott. Ich habe ihn sogar angeschrien. Das ist für mich sehr ungewöhnlich, denn ich habe Gott nicht angeschrien, als ich erfuhr, dass die Soldaten meine Mutter und meine Geschwister getötet hatten, oder später, als sie meinen Vater umbrachten. Aber ich habe ihn angeschrien, als meine Frau starb. Ich glaube, das war, weil ich für ihren Tod niemanden außer Gott verantwortlich machen konnte.« Er sah mich traurig an. »Ich glaube, Gott versteht solche Dinge.«
    »Meinen Sie?«
    Leszek nickte. »Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen. Als mein Sohn noch sehr jung war, fand er einmal ein kleines Messer. Ich nahm es ihm weg, damit er sich nicht wehtat. Er wurde sehr wütend auf mich und schrie mich an. Aber ich war deswegen nicht wütend auf ihn.« Seine Miene hellte sich auf. »Ich will nicht sagen, dass meine Ania wie ein Messer war.« Er beugte sich vor und grinste, als würde er mir gleich ein Geheimnis verraten. »Auch wenn ihre Zunge manchmal sehr scharf war.«
    Ich lachte.
    »Ich sage nur, dass ich älter und weiser bin als mein kleiner Junge und verstehe, weshalb er so empört war, daher habe ich es

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