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So weit die Hoffnung trägt - Roman

So weit die Hoffnung trägt - Roman

Titel: So weit die Hoffnung trägt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Geist zurückverlangen. Ich wollte meine Zeit wiederhaben. Ich wollte vergeben.
    Ich weiß nicht, um wie viel Uhr ich schließlich einschlief, aber am nächsten Morgen wachte ich gegen zehn auf. Draußen war es hell, daher wusste ich diesmal, dass es Morgen war. Mir war nicht schwindelig. Tatsächlich fühlte ich mich, abgesehen davon, dass ich nicht mehr im Zeitplan war, normal. Ich blieb ein paar Minuten im Bett liegen und ließ mir die Gedanken der vergangenen Nacht noch einmal durch den Kopf gehen.
    Vor langer Zeit einmal hatte ich gelernt, dass diese Gedanken, die man mitten in der Nacht hat, dem Tageslicht nicht immer standhalten. In meinem Leben in der Werbung hatte es Zeiten gegeben, da war ich mit einer Idee für eine Kampagne aus dem Bett gesprungen, die ich für so brillant hielt, dass ich sie unbedingt aufschreiben musste. Eigens zu diesem Zweck hatte ich immer einen Notizblock neben meinem Bett liegen. Dann sprang ich auf, kritzelte meinen Geniestreich hin und legte mich wieder schlafen, nur, um am nächsten Morgen aufzuwachen, die Worte zu lesen und mich zu fragen: Was habe ich mir dabei eigentlich gedacht?
    Aber diesmal war es nicht so. Alles, was Leszek gesagt hatte, stimmte. Ich besaß keinen Einfluss auf Kyles Leben, und ich hatte nicht das Bedürfnis, ihm im Gegenzug Einfluss auf meins zu gewähren. Ich nahm mein Handy aus meinem Rucksack, und dann, während ich darüber nachdachte, was ich zu tun im Begriff war, zögerte ich. Was würde ich sagen? Wie viel würde ich sagen? In gewisser Weise spielte das keine Rolle. Es ging um den Akt an sich. Je weniger ich sagte, desto besser. Ich würde anrufen und sagen: Ich vergebe dir. Nur diese drei Worte. Ich dachte an Pamela. Sie war so weit gereist, um diese Worte zu hören. Sie hatte ihr Leben riskiert, um sie zu hören. Aber Kyle suchte, soweit ich sagen konnte, nicht das, was Pamela gesucht hatte. Wieder rief ichmir Leszeks Worte ins Gedächtnis. Es spielte keine Rolle. Was ich tat, hatte im Grunde nichts mit Kyle zu tun. Wie er auf meine Vergebung reagieren würde, war seine Sache. Selbst wenn er auf meinen Anruf mit Feindseligkeit reagierte, konnte mir das vollkommen egal sein.
    Dann fiel mir wieder ein, dass Leszek gesagt hatte, ich sollte mich zuerst an Gott wenden. Zu meinem Erstaunen fiel es mir schwerer, Gott anzurufen als Kyle. Was würde ich zu Gott sagen? Natürlich, wenn Gott Gott war, dann war, was immer ich sagte, überflüssig, da er bereits wusste, was ich sagen würde. Ich konnte meine Rede nicht so planen wie eine Präsentation, wo jedes Wort wohl überlegt und mit Pausen zur Betonung ausgesprochen wird. Mit Gott zu sprechen war keine Show.
    Ich war einmal bei einem Wohltätigkeitsdinner für einen Kongresskandidaten des Bundesstaats Washington. Ein Minister war aufgestanden, um ein Gebet zu sprechen, aber stattdessen hatte er ein Gedicht vorgelesen. Ich weiß noch, dass ich dachte, es sei eine nette Präsentation, aber nicht aufrichtiger als mein letzter Werbe-Jingle. Vielleicht lag es daran, dass meinem Vater jede Art von Verstellung fremd war, aber er hatte mich immer dazu erzogen, zu sagen, was ich meinte, und zum Punkt zu kommen. Für mich war es logisch, dass ich zu Gott auf dieselbe Weise sprechen sollte. Sag es so einfach wie möglich. Ich sah zur Decke hoch, und dann sagte ich laut: »Gott, ich vergebe Kyle.«
    Nichts. Ich fühlte nichts. Ich fühlte mich schlimmer als nichts, ich fühlte mich wie ein Lügner. Ich wollte Kyle noch immer zu Brei schlagen – auf ihn einprügeln und ihn am Straßenrand liegen lassen, wie es die Gang in Spokane mit mir getan hatte.
    Das war der Augenblick, als ich die Wahrheit über dasBeten herausfand. Wie Mark Twain einmal schrieb: »Man kann keine Lüge beten.«
    Ich betete weiter. »Gott, ich will Kyle Craig zu Brei schlagen. Was er getan hat, war verachtenswert. Es war grausam und gemein, und er ist ein schlechter, böser Mensch.« Seltsamerweise fühlte ich mich bei diesen Worten im Reinen mit mir. Jetzt kam ich weiter. »Ich will, dass er leidet, genau wie ich gelitten habe.« Ich ließ die Worte nachhallen. Starke Gefühle begannen auf mich einzuströmen. »Ich weiß nicht, warum er so ist. Aber ich will nicht so sein wie er. Ich will nicht, dass er ein Teil meines Lebens ist. Ich will frei von ihm sein. Ich will frei von dieser Last sein. Ich will keinen Hass. Ich will das nicht.«
    Ich brach ab und saß schweigend da. Dann verspürte ich etwas Erstaunliches. Ein warmes Gefühl von

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