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So weit die Wolken ziehen

So weit die Wolken ziehen

Titel: So weit die Wolken ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Fährmann
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Hitlers Geburtstag.«
    »Dienst ist Dienst, Herr Regierungsschulrat.« Auch Dr. Scholten stand auf.
    »Und Schnaps ist Schnaps.« Er trank den Rest aus seinem Glas und schüttelte Dr. Scholten die Hand.

Achter Teil
    Die Schuhe waren eine einzige Enttäuschung. Es handelte sich um hölzerne Sohlen, an denen vorn und hinten Lederriemen befestigt worden waren. Der hintere konnte mit einer Metallschnalle festgezurrt werden. Die Mädchen brauchten mehrere Tage, bis sie in den Kläpperchen einigermaßen laufen konnten.
    Dr. Scholten hatte seine Beförderung im Kollegium bekannt gegeben und versprochen, später zu einer Feier einzuladen. Den Professor hatte er dabei verschwiegen.
    Frau Wisnarek hatte sich etwas Besonderes ausgedacht. Als sie den Schülerinnen ihrer Klasse mitteilte, dass die Schule wieder einen Direktor habe, sagte sie: »Ihr könnt euch vorstellen, Kinder, dass ihr Dr. Scholten jetzt anders anreden müsst. In Zukunft heißt er Herr Direktor. Damit ihr immer daran denkt, wollen wir die neue Anrede üben. Ich spiele jetzt den Herrn Direktor und gehe hinaus auf den Flur, klopfe an die Tür eures Unterrichtsraums und der Türdienst öffnet sie mir. Ich trete ein. Dann geht es zunächst wie immer. Ihr steht auf und begrüßt Dr. Scholten im Chor. Aber was müsst ihr jetzt sagen?«
    »Heil Hitler, Herr Dr. Scholten«, sagte Ruth.
    »Keineswegs, Kinder. Dr. Scholten ist jetzt für euch nicht mehr Dr. Scholten, sondern …«
    »Herr Direktor«, riefen einige.
    Frau Wisnarek lächelte boshaft. »Genauso machen wir es. Und damit es auch wirklich gut klappt, wollen wir es ein paar Mal trainieren.« Sie verließ noch mehrmals die Klasse, klopfte an, und wenn ihr die Tür geöffnet wurde, sprangen die Mädchen von ihren Sitzen und riefen so laut, dass es durch den ganzen Flur schallte: »Heil Hitler, Herr Direktor.«
    Vielleicht hätte sie die Übung noch weiter fortgesetzt, aber Dr. Scholten eilte herbei und sagte scharf: »Unterlassen Sie bitte sofort diese alberne Störung des Unterrichts.«
    »Ihnen kann man aber auch nichts recht machen, Herr Direktor«, sagte Frau Wisnarek und schloss die Klassentür hinter sich.
    Die letzten Apriltage gingen dahin. Der Gefechtslärm drang immer bedrohlicher bis nach Theresienruh herüber. Im Radio war gemeldet worden, dass der engste Verbündete und Freund Hitlers, Mussolini, von Partisanen erschossen worden war. Am 29. April war der Krieg in Italien zu Ende. Waffenstillstand, hieß es offiziell.
    Schwester Nora machte sich wieder auf den Weg in die Kreisstadt. »Notfalls laufe ich die zwölf Kilometer«, sagte sie. »Aber ich werde darauf bestehen, dass wir Geld aus dem Flüchtlingsfonds bekommen. Unsere Kasse hat schon beim Kollegium private Anleihen aufgenommen. Doch die Lehrerinnen haben selbst kaum noch Geld in der Tasche.«
    Der eigentliche Grund loszuziehen aber war ein anderer. Bei zwei Mädchen aus der unteren Klasse gab es deutliche Anzeichen von Scharlach. Die beiden hätten in Theresienruh nur schwer isoliert werden können. Auch waren der Schwester die geeigneten Medikamente ausgegangen. Sie wollte im Krankenhaus vorsprechen und um Rat bitten.
    »Sei vorsichtig, Nora«, sagte Dr. Scholten. »Du wirst hier noch gebraucht.«
    Sie zog los.
    Nach den beiden Unterrichtsstunden wässerten Irmgard und Lydia den Salat. Die Pflanzen hatten sich prächtig entwickelt. Der ausgestreute Samen war aufgegangen, die Blättchen standen etwa sieben Zentimeter hoch.
    Frau Brüggen schaute sich die Beete an und sagte: »Der Salat steht zu dicht. Er muss ausgedünnt werden, wenn sich Köpfe bilden sollen.« Sie zeigte den Mädchen, wie sie es machen sollten.
    »Die herausgezogenen Pflanzen einfach auf den Komposthaufen werfen?«, fragte Lydia.
    »Ja, bringt sie weg«, sagte Frau Brüggen und ging zum Haus zurück.
    Lydia hielt die grünen Blätter in der Hand. »Ob man die essen kann?« Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern rannte in die Küche. Dort teilte Frau Hennig gerade die Arbeit ein.
    »Was meinen Sie, Frau Hennig, können Sie die Blätter in der Küche verwenden?«
    »Was willst du sonst damit machen? Wenn die Wurzelfasern abgeschnitten werden, gibt das den ersten butterzarten Pflücksalat. Also nur her damit. Heute Abend steht er auf dem Tisch.«
    Schwester Nora war inzwischen mit einem Auto des Roten Kreuzes zurückgebracht worden. Im Krankenhaus hatte man angeordnet, dass die beiden Mädchen mit Verdacht auf Scharlach so schnell wie möglich eingeliefert werden

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