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So weit die Wolken ziehen

So weit die Wolken ziehen

Titel: So weit die Wolken ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Fährmann
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vielen Geschäften, in allen Ämtern stets der Hitlergruß. Die amtlichen Schreiben, ja sogar private Briefe endeten oft mit deutschem Gruß, und dieser Gruß war eben Heil Hitler .
    »Jetzt ist der Führer wirklich gestorben«, sagte Frau Lötsche.
    Anna wollte zu Friedrich in die Gärtnerei und ihm die Neuigkeit berichten. Sie war immer wieder mal bei ihm gewesen und hatte für ihn Arbeiten verrichtet, die er allein nicht schaffen konnte. Eigentlich waren es Kleinigkeiten. Aber für ihn als Einarmigen bildeten viele dieser Kleinigkeiten unüberwindliche Hindernisse und er empfand sie jedes Mal neu als Niederlage. Anna hatte Knöpfe an Friedrichs Jacke angenäht, ihm an einem Sonntag, als er zur Kirche gehen wollte, eine Krawatte gebunden und länger als nötig seinen Nacken berührt. Die Schnürsenkel an seinen Schuhen zuzubinden, gelang ihm nicht. Anna hatte sich vor ihm hingekniet und seine Hand auf ihrem Rücken gespürt. Anfangs putzte sie auch die Gläser seiner Lesebrille. Doch das konnte er inzwischen allein.
    »Meine beiden Hände«, hatte er zu ihr gesagt.
    Auf dem Weg zur Gärtnerei sah Anna, dass an einem Gebäude eine weiße Fahne aus dem Fenster gehängt worden war.
    Die Tür war allerdings vernagelt.
    In der Pflanzstube, dort, wo Friedrich stets peinlich genau auf Ordnung bedacht war, herrschte ein wüstes Durcheinander. Der Schrank stand weit offen, Friedrichs Kleider und Schuhe lagen auf dem Boden verstreut, der Sessel war umgestürzt. Anna rannte hinaus und wollte Friedrich suchen. Vielleicht war er in einem beschädigten Gewächshaus. Vor ein paar Tagen hatte er nämlich begonnen, dort aufzuräumen und die wenigen heil gebliebenen Scheiben zu sichern. Sie fand ihn nicht. Die Salatpflanzen, die sich schon zu ersten Köpfchen zusammenrollten, waren trocken und ließen die äußeren Blätter hängen.
    Irgendetwas musste mit Friedrich passiert sein. Niemals hätte er seine Pflanzungen vernachlässigt. Schon vor Sonnenaufgang hatte er sie täglich gewässert. War es Obermayr doch zu Ohren gekommen, dass er längst wieder zu Hause war?
    Annas Unruhe wuchs. Sie bemerkte eine alte Frau, die sich an dem hinteren Salatbeet zu schaffen machte, und ging näher. Die Frau schnitt mit einem kurzen Messer die kleinen Köpfchen ab und sammelte sie in einem Korb.
    »Was machen Sie da?«, schrie Anna sie an. »Der Salat muss noch wachsen.«
    Die Alte schreckte zusammen und drehte sich hastig um. »Ach, du bist’s. Ich hab dich öfter gesehen, wenn du zum Fritz gegangen bist. Aber es ist nicht mehr nötig, dass du kommst. Der Fritz ist …« Sie machte eine Pause. »Der wird nicht mehr wiederkommen.«
    »Nicht wiederkommen?«
    »Nein. Nie. Und sollen die Pflanzen etwa verfaulen? Ich kann sie nicht pflegen. Es fällt mir schon schwer genug, den Salat zu schneiden.«
    »Zum Teufel mit dem Salat. Was ist mit Friedrich?« Vor lauter Angst klang Annas Stimme laut und schrill.
    Die Frau stellte ihren Korb ab. »Komm, wir setzen uns dort auf die Kisten. Ich werde dir erzählen, was ich gesehen und gehört habe.«
    Sie starrte eine Weile vor sich hin. Es schien ihr schwerzufallen, die richtigen Worte zu finden. Annas Angst wuchs. Ihre Hände verkrampften sich. Sie presste sie gegeneinander.
    »Es war so gegen neun Uhr heute Morgen. Da unten am Bach vor der Brücke hatte der Volkssturm begonnen, die Panzersperre zu schließen. Lauter Bretter und Balken. Ich mein ja, das war unnütz, aber was weiß ein altes Weib vom Krieg? Der Obermayr hat’s befohlen und die Männer haben’s ausgeführt. Ganz langsam haben sie gearbeitet. Man hat sehen können, dass sie nicht recht bei der Sache waren. Dann ist der Obermayr mit seinem Motorrad weggefahren. Hat sicher noch andere Verteidigungsgruppen inspizieren wollen. Die Männer haben weitergemacht. Befehl ist Befehl, haben sie wohl gedacht. Auf einmal ist der Fritz aus der Gärtnerei aufgetaucht. Ich hab ihn erst gar nicht erkannt. Er hatte nämlich seine Leutnantsuniform angezogen. Ich wusste nicht, dass er die noch hatte. Ist ja immer in den alten Uniformlumpen herumgelaufen. Jedenfalls seit er aus dem Lazarett zurückgekommen ist. Jetzt trug er sie wieder, mit den Orden auf der Brust, dazu die blanken Stiefel, die Mütze ein wenig schräg auf dem Kopf. Das Koppel umgeschnallt und die Pistole an der Seite. Den leeren Ärmel hatte er unter das Koppel geklemmt. Ich hab alles genau gesehen. Ich war auf dem Weg in den Ort und hab auf der Kniebank an der Brücke beim heiligen Nepomuk eine

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