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So weit die Wolken ziehen

So weit die Wolken ziehen

Titel: So weit die Wolken ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Fährmann
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darüber?«
    Heidrun lachte. »Zum Traurigsein lasst ihr mir im Quellenhof keine Zeit. Mir gefällt es gut hier. Aber wollen wir nicht lieber über deine Sammlung sprechen? Sag mir doch, welche Alpenblumen du schon eingeklebt hast.«
    »Ich bin bei Nummer 35. Der Seidelbast war in diesem Jahr die erste Blüte und vor vierzehn Tagen habe ich herrlichen Enzian gefunden. Bei einigen Blütenblättern verblasst allerdings die Farbe mit der Zeit. Schade eigentlich.«
    »Ich habe damals in meinem Herbarium mit meinem Zirkel einen Kreis auf das Sammelblatt geschlagen und darin mit Wasserfarben die Färbung festgehalten.«
    »Gute Idee. Was ist mit Edelweiß, Heide? Hast du das auch schon?«
    »Selbstverständlich. Aber hier wirst du vergebens danach suchen. Dafür musst du schon ins Hochgebirge steigen.«
    »Irmgard und einige andere von uns haben schon ein Edelweiß. Aber sie verraten nicht, wo sie es gefunden haben. Manchmal denke ich, sie haben es von jemandem im Dorf gekauft.«
    »Wer hat euch eigentlich darauf gebracht, Pflanzen zu sammeln?«
    »Frau Brüggen schreibt jedes Mal eine gute Note, wenn ihr eine blühende Pflanze mit in die Biologiestunde gebracht wird, die noch niemand vorher gefunden hat.«
    »Und sie kennt alle Namen?«
    »Nein. Sie sagt, man muss nicht alles wissen, aber es ist gut, wenn man weiß, wo man nachschlagen kann.«
    Sie gelangten höher hinauf. Kurz vor der Mittagsrast entdeckten sie einen Hügel, dicht bewachsen mit Almrausch.
    »Wie ein brennender Berg«, sagte Ruth.
    Die Sicht an diesem Tag war gut. In der Ferne schimmerten hohe Felsspitzen im Sonnenlicht. Irmgard sah als Erste ein Gamsrudel in der Ferne an einer Steilwand vorüberziehen.
    »Hier könnte ich lange sitzen und schauen«, sagte Anna. »Bei uns zu Hause gibt es auch einen Berg.«
    Heidrun Czech schaute sie ungläubig an. »Willst du mir einen Bären aufbinden?«
    »Nein, nein. Der heißt Schlackenberg.«
    »Hab ich noch nie gehört. Ich weiß ziemlich sicher, nach Norden zu liegen die Eifel und der Westerwald und dann rheinabwärts ist nur noch die Farbe Grün im Atlas, nur noch Tiefebene.«
    »Den Schlackenberg können wir vom Küchenfenster unserer Oma aus sehen. Da kippt seit Jahren die Eisenhütte die glühende flüssige Schlacke aus den Hochöfen ab. Zu ebener Erde ist ein Stollen in den Berg getrieben worden. Das ist der sicherste Luftschutzkeller im ganzen Umkreis. Die Schlacke ist nämlich so hart geworden, dass nicht einmal eine Zehnzentnerbombe einen Trichter aufreißen könnte.«
    »Am schönsten ist es, wenn es dunkel geworden ist«, sagte Ruth. »Wenn gekippt wird, dann leuchtet der Himmel rot. Früher hat unsere Mutter dann gesagt, das Christkind backt Plätzchen für Weihnachten.«
    »Glaubst du das etwa nicht?«, fragte Irmgard.
    »Ihr habt mir lange genug solche Lügengeschichten erzählt. Tante … ach, Frau Brüggen hat mir genau erklärt, wie das ist mit dem Weihnachtsfest.«
    »Unsere Kleine ist jetzt aufgeklärt«, betonte Irmgard.
    »Schon lange, dumme Ziege.«
    »Über unseren Städten ist jetzt häufig der Himmel rot«, sagte Anna. »Ich meine, wenn sie Brandbomben werfen.«
    »Das stimmt.« Ruth fiel ein, wie sie einmal voller Angst mit ihrer Mutter durch eine brennende Häuserzeile zum Bunker gelaufen war. Als Stunden später die Sirenen Entwarnung heulten, hatten sie einen anderen Weg zu ihrer Straße genommen. In jener Nacht zog sich das Brandrot über den ganzen Himmel.
    »Aber das Rot vom Almrausch ist anders. Es ist nicht so giftig und wild.«
    Es wurde schon dunkel, als die Mädchen von ihrer Wanderung zurückkamen. Wie verzaubert und ganz still blieben sie vor der Orangerie stehen. Einige setzten sich auf die von der Sommersonne noch warmen Steinstufen. Sie konnten sich nicht sattsehen an den tausend und abertausend Glühwürmchen, die wie gelblich weiße Funken ihren Hochzeitstanz aufführten.
    »Heute war ein wunderschöner Tag«, sagte Anna. »Schade, dass meine Mutter nicht auch so etwas erleben kann.«
    Später aßen sie noch die Brote, die Frau Zitzelshauser ihnen bereitgestellt hatte. Der Tee war allerdings längst kalt geworden.
    Lydia hatte unterwegs einen Schüttelfrost bekommen.
    »Sonnenbrand wahrscheinlich«, vermutete Anna. »Den bekommt Lydia öfter, wenn sie zu lange in der Sonne gewesen ist. Meistens ist am nächsten Tag wieder alles in Ordnung.«
    Am folgenden Morgen sah sie es sofort nach dem Wecken: Lydia war wirklich krank. Ihre Stirn glühte fiebrig heiß. Nur Sonnenbrand?

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