So wie Kupfer und Gold
um allein zu sterben. Seine faszinierende Stimme malte faszinierende Bilder.
»Was haben Sie mit ihr gemacht?«
»Ich habe sie ins nächste Fort gebracht und jemandem sehr, sehr viel Geld gegeben, damit er sich bis zu ihrem Tod um sie kümmert. Das arme alte Ding hatte panische Angst vor WeiÃen, aber ich konnte sie, nachdem ich sie gefunden hatte, doch nicht einfach wieder gehen lassen.«
»Bestimmt nicht. Sie mussten es genau so machen wie der barmherzige Samariter. Ich bin beeindruckt, dass Sie mit solch weit entfernten Orten und Menschen so vertraut sind.«
»Nun ja, amerikanische Bürger und Orte können einem fast so fremd vorkommen. Warte, bis du von den Typen hörst, denen ich im pulsierenden Dschungel von New York City begegnet bin.«
»Haben Sie je daran gedacht, ein Buch zu schreiben?«
»Ich lebe lieber in der Gegenwart, als mir den Kopf über längst Vergangenes zu zerbrechen. Denke daran â carpe diem . Es ist mein Wunsch, noch viele neue, aufregende Abenteuer zu erleben. Und ich hoffe, dass du mich irgendwann auf meinen Reisen begleitest. Aber das hat noch Zeit. Zuerst sollst du mit der Abtei so vertraut werden, dass du sie als dein Zuhause betrachtest.«
Ich beobachtete ihn, während er redete, und konnte ihn mir sehr gut als groÃartigen Sportsmann und Entdecker vorstellen. Er strahlte einen Wagemut aus, der ihn von einer Bewährungsprobe zur nächsten führen würde, zum nächsten Schauplatz, dem nächsten Abenteuer. Aber ich bildete mir ein, auch eine gewisse Feinfühligkeit in ihm entdecken zu können. SchlieÃlich war er so gut zu mir und er war freundlich zu den jungen Dienern und der armen alten Comanche-Frau gewesen.
Nach und nach wurden die Pausen zwischen den Geschichten länger. M. Bernard gab Charles, der hinter einer Palme wartete, mit einer Geste zu verstehen, dass er das Tablett wegbringen könne. Mein Patenonkel löschte selbst alle Kerzen bis auf eine, indem er die Flammen zwischen zwei Fingern zusammendrückte.
Im Dämmerlicht kam seine schattenhafte Gestalt zu mir zurück.
»Und jetzt beobachten wir die Sterne«, sagte er. »Der Wind heute hat den Dunstschleier weggeblasen, sodass sie deutlich zu sehen sein sollten.«
Ich lehnte mich zurück und betrachtete durch das gläserne Dach die winzigen, glitzernden Pünktchen, bis mir ganz schwindelig wurde. Achals Musik klang wie ein Wiegenlied. Irgendwann schlief ich ein.
Ich träumte. Der Traum begann angenehm: Ich stand allein in meinem Zimmer in der Abtei, betastete eine Halskette aus blutroten Rubinen und freute mich an meiner hübschen Umgebung. Aus einem mir unerklärlichen Grund änderte sich die Atmosphäre jedoch. Langsam überkam mich eine namenlose Angst. Gleich würde etwas Furchtbares geschehen. Ich lief zur Tür und rief verzweifelt: »Anne, Schwester Anne, siehst du meine Brüder?« Und sie antwortete aus der Ferne: »Noch nicht.« Das war alles.
Ich schreckte aus dem Schlaf auf, mein Gesicht in etwas Seidigem vergraben. Es war M. Bernards silberne Satinweste.
Mit einem Ruck setzte ich mich auf. Ich schwitzte und mein Herz hämmerte.
»Was ist, mon bébé ?«, erkundigte er sich besorgt.
»Ich â ich habe schlecht geträumt.«
»Erzähle mir deinen Traum und du wirst merken, dass alles gut ist und dir nichts Schlimmes passieren kann, solange ich hier bin.«
Und so erzählte ich ihm meinen Traum.
Er nickte. »Diese Albträume, bei denen man nicht genau weiÃ, wovor man sich fürchtet, sind schrecklich. Seltsamerweise habe ich ziemlich oft welche. Ich habe echte Gefahren überstanden, doch diese unbekannten Ãngste sind weit schlimmer. Aus dem Augenwinkel sehe ich etwas Formloses, Schattenhaftes, das direkt hinter mir versucht, Gestalt anzunehmen. Und sobald die Dunkelheit Konturen hat, laufe ich weg, weil es mir unerträglich ist zu sehen, worum es sich handeln mag.«
Mich schauderte und ich stand mit wackligen Beinen auf. »Ich gehe besser zu Bett.«
»Ich bringe dich bis zu deiner Tür.« Er nahm meinen Ellbogen. »Aber ich versichere dir, dass du dich nicht auf deine Brüder verlassen musst, um gerettet zu werden. Solltest du je in Schwierigkeiten sein, bin ich zu deiner Rettung da.«
Kapitel 7
EINGESCHLOSSEN UND VERLASSEN
Keine Albtraumsorgen plagten mich an meinem zweiten Morgen in der Abtei.
DrauÃen war es nebelig
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