So wie Kupfer und Gold
Kopf heraus.
»Sie gehen doch hinunter, um mit dem Master zu Abend zu essen, nicht wahr?« Sie knetete den Saum ihrer Schürze.
»Selbstverständlich.«
Sie entspannte sich und nickte. »Gut. Ich würde ihm nur sehr ungern sagen, dass Sie nicht kommen. Er hat eine Ãberraschung geplant und Sie sollten sich langsam dafür ankleiden. Er hat um ein ganz bestimmtes Kleid gebeten.«
»Um ein ganz bestimmtes Kleid?«
»Jawohl.« Sie kicherte. »Sie werden ein ganz klein wenig überrascht sein. Der Master hatte schon immer einen besonderen Geschmack und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, will er es auch so haben.«
Neugierig folgte ich ihr zum Kleiderschrank.
Mrs Duckworth holte ein höchst seltsames Kostüm heraus.
Es sah nach ostindischer Handwerkskunst aus und die einzelnen Teile waren viel zu klein oder viel zu durchsichtig, um mich richtig zu bedecken. Es bestand aus einem Rock aus hauchdünner, reich bestickter Seide in der Farbe von Glockenblumen, einer kurzen, mit silbernen Perlen verzierten Bluse und einem durchscheinenden Schal oder Schleier.
Ich betrachtete die Kleidungsstücke ratlos. »Sie sind hübsch, aber ich habe noch nie so etwas getragen. Sie sind ein bisschen â sparsam, was den Stoff betrifft.«
An der Art, wie Mrs Duckworth mit der Zunge schnalzte, erkannte ich, dass sie nicht erfreut war. »Sie werden doch nicht im Ernst glauben, dass der Master jemals etwas Ungebührliches verlangen würde. Er hat mehrere fremdländische Kleidungsstücke für Sie vorbereiten lassen. Sie sind anders als das, was Sie gewohnt sind, aber mit Bedacht ausgewählt, und Sie werden ihm sicher den Gefallen tun und sie tragen. Er hat ausgefallene Ideen â das kommt von seinen vielen Reisen. Sie erinnern ihn an Orte, die er besucht hat, und an schöne Zeiten.«
Hatte ich eine Wahl? Man hatte immer eine Wahl. Ich konnte ein Gesellschaftskleid aus dem Schrank holen und es anziehen. Ich konnte verkünden, dass ich nicht zum Abendessen komme, und dann den ganzen Abend in meinem Zimmer hocken und schmollen.
Der Schalk setzte sich mir in den Nacken. Carpe diem! Die ausgefallenen Ideen von Monsieur waren lediglich Teil seiner Suche nach dem Pittoresken und Ungewöhnlichen. Im Gegensatz zu anderen Kleidungsstücken im Schrank passte dieses Kostüm sicher und war auch bequem. Ein Korsett oder eine Krinoline konnte man dazu schlieÃlich nicht tragen. Und ich hätte mich gern einmal als Inderin gesehen. AuÃerdem war das Kostüm, wenn man von dem bloÃen Bauch einmal absah, nicht viel anders als das, für welches Mrs Amelia Bloomer, die Sozialreformerin, sich einsetzte. Allerdings bestand ich darauf, ein Kamisol unter dem bauchfreien Oberteil zu tragen.
»Hm«, begann Mrs Duckworth, »wenn ich es richtig weià â ja, da ist sie â, hier ist ein Kästchen mit dazu passendem Schmuck.«
Auf dem zerknitterten Seidenpapier der Schmuckschatulle, die sie mir reichte, lagen silberne Armreifen, ein mit Edelsteinen besetztes Diadem, das eine Sonne darstellte, Ohrringe in Form von Mondsicheln und ein Sternenanhänger. Ich entdeckte auch noch einen einzelnen Reif, der ein Nasenring sein mochte. Den lieà ich in der Schatulle liegen.
In dem über zwei Meter hohen Wandspiegel betrachtet, war mein Kostüm sowohl originell als auch entzückend und ohne das Leibchen wäre der Stoff noch weicher gefallen. Mein Patenonkel würde mich garantiert deshalb necken.
Ich betrachtete mein Gesicht im Spiegel. Zum einen wünschte ich mir, dass ich immer noch aussah wie ich, zum anderen hoffte ich, mich in dieser Umgebung wenigstens ein bisschen verändert zu haben.
Ich war immer noch Sophia, auch wenn ich in fremdländischen Kleidern steckte.
Als ich den Speisesaal betrat, blitzten die Augen meines Patenonkels, als er das Kamisol sah. Zu meiner Ãberraschung gab er jedoch keinen Kommentar dazu ab. Stattdessen nannte er mich seine schöne Morgiana und erklärte mir, dass indische Tänzerinnen solche Kostüme trugen und der Schmuck klimperte, wenn sie sich bewegten. Die Bluse würde Choli genannt.
»Englische Missionare haben sie bei den indischen Frauen eingeführt«, erzählte er. »Die Priester wurden durch die nackten Brüste zu sehr von ihrer guten Arbeit abgelenkt. Der nackte Bauch störte sie offenbar nicht.«
In Boston sprachen Männer in Gesellschaft von Damen nicht
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