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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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und feucht. Der Nebel zeichnete alle Linien weich und ich ging herum wie in einem angenehmen Traum. Es schien weder richtig Tag noch richtig Nacht zu sein. Da keine Sonne schien, ließ ich meinen Hut an den Bändern auf dem Rücken baumeln.
    Die Außenanlagen waren herrlich und sahen sehr europäisch aus. Mit den akkurat geschnittenen Hecken, den Statuen und Brunnen glichen sie Illustrationen, die ich aus Büchern kannte. Kaum zu glauben, dass wir hier in Mississippi waren. Die Gärten waren von einem Künstler angelegt worden – ich vermutete meinen Patenonkel dahinter –, und jeder Ausblick erschien noch herrlicher und ließ mich immer weitergehen, zum italienischen Garten und zu den Büschen, zum Rosengarten und weiter zum Labyrinth und zum Kräutergarten.
    Ich traf Willie, den obersten Gärtner. Er schnippelte mit seiner Gartenschere an den Beinen des Buchselefanten herum. Willie war klein und sehr dunkelhäutig. Die Runzeln in seinem Gesicht wirkten fast grau und das weiße Haar sah aus wie frisch gepflückte Baumwolle. Er war der Mann von Daphne, der Blumenfee. Ausgesprochen passend, denn er erinnerte mich an einen Gartenzwerg.
    Ich wies auf die Skulpturen. »Sie sind sehr beeindruckend. Schneiden Sie die alle selbst?«
    Er lächelte und blickte auf seine Stiefel hinunter (die groß waren für seine kleine Gestalt und ihm Ähnlichkeit mit einem großen L verliehen). »Jawohl, Miss«, antwortete er schüchtern, »ich machen.«
    Â»Wie kommen Sie auf die unterschiedlichen Formen? Haben Sie ein Buch?«
    Â»Nein, Miss. Als ich ’n Junge war un noch daheim, bevor ich hierhergekommen bin, hab ich Tiere gesehn. Jetzt schneid ich se aus’m Gedächtnis. Die andern –«, dabei wies er auf die geometrischen Formen und die Fantasiegebilde, »schneid ich, wie’s meim Auge gefallen tut.«
    Er hatte eine leise Stimme.
    Während ich meinen Erkundungsgang fortsetzte, überlegte ich, wie viel Arbeit es sein musste, die in den Südstaaten so schnell wachsenden Unkräuter und die vielen Insekten zu bekämpfen.
    Selbst die Nebengebäude hatten ihren Reiz und erschienen makellos. Birnen- und Pflaumenbäume waren an den Wänden des Kutschenhauses zu Spalierbäumen gezogen worden und über die Stallungen kletterten unzählige gelbe Rosen. Mir fielen die Worte ein, mit denen die berühmte englische Schriftstellerin Hannah Moore den Ort Hampton beschrieben hatte: »So sauber, so grün, so blumig, so lauschig.«
    Nur zwei Dinge erschienen vernachlässigt: Eines war die verkrüppelte Eiche neben der Zufahrt. Sie war so hässlich und fehl am Platz; warum ließ M. Bernard sie nicht entfernen? Die zweite ungepflegte Stelle lag hinter der Orangerie. Hier umgab eine Backsteinmauer etwas, das aussah wie eine baufällige, mittelalterliche Kapelle.
    Ãœber die Mauer hinweg sah ich, dass Ranken sie überwucherten, das Dach durchhing und die Fenster mit Brettern vernagelt waren. Dichtes Efeu und Glyzinien und die mit spitzen Dornen versehenen Ranken, die Willie, wie ich später hörte, »Teufelsgedärm« nannte, überzogen die Wände. Es dauerte eine Weile, bis ich den Eingang fand. Als ich das dichte Gestrüpp vor der Tür anhob, war diese vergittert und abgesperrt.
    In der Nähe hielt ein steinerner Engel auf einer Säule Wache. Er war voller Flechten und Moos, was seiner Anmut und Schönheit jedoch keinen Abbruch tat. Einen Moment lang stand ich reglos da, verzaubert von seinem Ausdruck – unendlich sorgenvoll und weise und voller Mitgefühl. Ich berührte gerade seinen steinernen Fuß, als ein Gärtner vorbeikam.
    Â»Warum ist das Tor hier abgeschlossen?«, fragte ich.
    Er blinzelte unter seinem Strohhut auf mich herunter. »Master sagen, da drin ist’s nich sicher. Es soll sich niemand nich da drin verletzen.«
    Warum hatte M. Bernard die Kapelle herbringen lassen, wenn er sie jetzt verfallen ließ? Vielleicht konnte ja sogar mein energiegeladener und reicher Patenonkel nicht alle Renovierungsarbeiten auf einmal durchführen lassen. Allein der Unterhalt der Abtei musste jeden Monat ein Vermögen verschlingen und die Kosten für die Renovierung des Ostflügels waren sicherlich ebenfalls immens.
    Ich ging über den Rasen und bald waren meine Stiefel und die Strümpfe nass vom Tau. Ich spazierte durch den Pfirsichgarten und den Nussbaumhain und weiter zu

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