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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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chérie , wirst meine Rettung sein. Dessen bin ich mir jetzt sicher.«
    Wir lehnten uns eng aneinander. Dann schüttelte er sich und erhob sich. »Es ist spät. Ich habe unser Gespräch zu sehr ausgedehnt.«
    Er begleitete mich bis zu meiner Zimmertür und wünschte mir eine gute Nacht.
    Als ich in mein Zimmer kam, trat ich fast auf die Scherben von M. Bernards gerahmter Fotografie. Wie hingeschleudert lag sie mit der Vorderseite nach unten bei der Tür.
    Wer hatte gewagt, das zu tun?
    Vorsichtig suchte ich die Scherben zusammen, wickelte sie in einen Schal und legte sie fürs Erste unter die Bettwäsche in einer Truhe auf dem Flur.
    Jemand in diesem Haus hasste meinen Patenonkel.

Kapitel 12
    EIN MUSIKALISCHES INTERMEZZO
    Peg Leg Joes Predigt und sein Lied hatten mir eine Menge Stoff zum Nachdenken beschert. Aus den Artikeln und Anzeigen über entlaufene Sklaven, die ich in den Bostoner Zeitungen gelesen hatte, war hervorgegangen, dass ein stetiger Strom sich nach Norden aufmachte. Sie schlichen sich heimlich davon und stolperten vorwärts wie ich, als ich in stockdunkler Nacht aufgebrochen war, um Peg Leg Joe predigen zu hören. Es gab jedoch keinen Massenexodus. Die meisten trauten sich nicht wegzugehen, aber es gab Schutzhäuser – Stationen wurden sie genannt – für diejenigen, die über die Underground Railroad , die Untergrundbahn, flohen. Diese Bahn war ein Netz aus Informanten, die den flüchtigen Sklaven bei ihrer Flucht halfen. Peg Leg Joe hatte einen Pastor in der Nähe erwähnt, der ihnen auf der ersten Etappe ihrer Reise beistehen könnte.
    In dem Lied vom »Drinking Gourd«, dem Flaschenkürbis, waren alle Hinweise enthalten, sie brauchten ihnen nur zu folgen. Ich hatte den Text, soweit ich mich daran erinnern konnte, aufgeschrieben und den Zettel zu meinen anderen Geheimnissen unter die Schreibtischunterlage geschoben. Es war von Flüssen die Rede – am nächsten lagen der Tennessee und der Tombigbee River, vielleicht waren sie gemeint – sowie von toten Bäumen als Wegweiser, die Peg Leg Joe anscheinend markiert hatte. Ich bekam einen trockenen Mund, als ich mir die Not und Angst und die Beschwernisse einer solchen Reise – im besten Fall – vorstellte und die Kugeln, Peitschen, Ketten und bissigen Hunde im schlimmsten. Im eisigen Winter war sicher alles noch viel schwieriger.
    Plötzlich verstand ich die erste Zeile des Liedes: When the sun come back, when the first quail call, then the time is come . Wenn die Sonne zurückkommt, wenn die erste Wachtel ruft, dann ist die Zeit gekommen. Die Sklaven würden sich erst im Frühjahr auf den Weg machen. Ich bewunderte alle, die den Versuch wagten, und fürchtete um sie. Und ich fragte mich, ob ich an ihrer Stelle das Risiko eingehen würde. Mein Patenonkel hatte garantiert keinerlei Mitleid mit entlaufenen Sklaven, die von Kopfgeldjägern zurückgebracht wurden.
    Auch wenn tagsüber noch brütende Hitze herrschte, wurden die Nächte schon kühler. Die Aufregung unter den Sklaven legte sich langsam wieder. Ihr gewohntes Leben voll schwerer Arbeit nahm seinen Gang. Peg Leg Joe blieb weiterhin in Wyndriven Abbey. Gelegentlich sah ich ihn hinter dem Ostflügel sägen oder Bretter schleifen oder Baumaterial hin und her tragen. Ein Mal kreuzten sich unsere Wege. Er tippte an seinen Zylinder und beäugte mich scharf.
    Â»Mister –« Ich wollte höflich sein, wusste aber nicht, wie ich ihn anreden sollte. »Peg Leg –«
    Er lächelte und plötzlich war sein Gesicht gar nicht mehr so Furcht einflößend. »Einfach nur Joe tut’s, Missy. Was kann ich für Sie tun?«
    Ich senkte meine Stimme. »Ich möchte helfen. Kann ich irgendwie helfen?«
    Seine Miene veränderte sich nicht. »Sie wollen ein bisschen schreinern, Missy?«
    Â»Nein, natürlich nicht. Ich meine –« Bestimmt gab es Codeworte für diejenigen, die mit der Untergrundbahn zusammenarbeiten wollten, aber ich kannte sie nicht. Wie gelang der Einstieg als Helfer? Wie konnte man Vertrauen schaffen?
    Er hob die Augenbrauen und wartete. »Ich behalt Sie im Gedächtnis, Missy«, erwiderte er leise, als ich nichts mehr sagte, und ging davon.
    Ich schaute ihm nach und kam mir so dumm vor.
    Selbst wenn Joe mir irgendwann sein Vertrauen schenkte – was konnte ich schon tun? Es stand mir genauso wenig frei, das Gut zu verlassen, wie den

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