So wie Kupfer und Gold
und begann dann nach ihm zu suchen. Ich suchte in sämtlichen Himmelsrichtungen, bis ich kaum mehr gehen konnte. Nirgendwo erhaschte ich einen Blick auf den schwarzen Gehrock und die langen Beine. Eine hallende Leere in mir sagte mir, dass er nicht kommen würde.
Vielleicht wartete eine Nachricht auf mich! Stolpernd rannte ich zu dem Baum. Im Loch lag ein Blatt Papier. Mit zitternden Händen faltete ich es auf. Die Nachricht war kurz.
Liebe Miss Petheram,
vergeblich habe ich mit mir gekämpft und mich zu überzeugen versucht, dass ich Sie als Ehrenmann weiter in der Art treffen kann, wie wir uns bisher getroffen haben. Doch trotz â oder gerade wegen der groÃen Wertschätzung, die ich Ihnen entgegenbringe, kann ich die Situation, in die ich uns beide gebracht habe, nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Ich weiÃ, dass Sie in dieser Frage nicht mit mir übereinstimmen, doch bitte verstehen Sie, dass ich wirklich überzeugt bin, es ist das Beste. Ich hoffe, dass die Umstände sich irgendwann ändern. Es tut mir so leid.
Gideon Stone
Ich sank auf einen Baumstamm und starrte vor mich hin. Es war vorbei. Kaum dass es begonnen hatte, war es schon wieder vorbei. Die Treffen mit Gideon waren meine einzige Freude gewesen, meine einzige Hoffnung ⦠und ihm tat es leid . Zornesröte stieg mir ins Gesicht. Ich knüllte das Blatt zusammen und stopfte es in meine Tasche. Wenn er so für mich empfinden würde wie ich für ihn, würde er nicht wegbleiben. Ich hatte mich Hals über Kopf in Gideon Stone verliebt, doch er konnte nicht in mich verliebt sein. Sonst würde er auf Schicklichkeit pfeifen. Er würde auf Ehre pfeifen â¦
Nein. Noch während ich dies dachte, wusste ich, dass es falsch war. Ich würde Gideon nicht in dem Maà lieben, wenn er nicht der Mann wäre, der er war. Das Gedicht »Abschied des Cavaliers« fiel mir ein: Nicht könnt ich lieben dich so heiÃ, liebt ich nicht Ehre mehr . Diese Zeile hatte ich nie gemocht, da es schien, als hätte das Mädchen dem Schreiber nichts bedeutet, sonst hätte er sie nicht so zurücklassen können. Doch jetzt verstand ich sie besser. Dieser Vers würde mein Gideon-Credo werden. Er war ein Ehrenmann.
Ich vergrub das Gesicht in den Händen und weinte bitterlich.
Jemand berührte meine Schulter. Ich zuckte zusammen.
»Liebes, so schlimm kannâs gar nich sein.«
Eine Afrikanerin stand vor mir. Ihr Gesicht hatte die Farbe von polierter Eiche, war offenbar alt, aber ohne Runzeln. Die Haut spannte sich über hohen Wangenknochen. Eine gute Fee.
»Du kommst am besten mit mir mit, kleine Miss«, sagte sie und gestikulierte mit einer verkrümmten, knochigen Hand. »Du kommst am besten mit mir mit un ich mach dir ân heiÃen Kräutertrunk. Damit gehtâs dir flugs geschwind wieder besser.«
Sie drehte sich um und stakste davon, ohne sich umzudrehen, als sei es keine Frage, dass ich ihr folgte. Ich folgte ihr.
S ie war sehr klein und trug das hässlichste gestreifte Bau mwollkleid, das ich je gesehen hatte, dazu eine Schürze aus gebleichten Mehlsäcken. Unter ihrem roten Kopftuch lugte eisengraues, krauses Haar hervor. Wenn sie ihre Röcke hob, um über umgestürzte Baumstämme zu steigen, sah ich die verschrumpelte Haut ihrer mageren Beine. Es schien mir ein Wunder, dass sie damit überhaupt laufen konnte, doch sie ging sehr aufrecht. Mit einer Gerte fuhr sie vor sich durchs Unterholz.
»Muss nich sein, dass ich inne Falle tappe, gewiss nich«, murmelte sie.
Sie führte mich zu einer Hütte, die so windschief war, dass ich den Kopf schräg legte, um sie mir richtig anschauen zu können. Ein kleiner, jetzt brachliegender Garten umgab sie.
In der Tür drehte die Frau sich um und wies mit ihrer Gerte auf die kurzen, safrangelben Stängel, die aus der Erde schauten. »Da wachsen im Sommer meine Kräuter«, erklärte sie. »Ich trockne se und verkauf se in der Stadt. Ich verdien genug für das, was ich brauch, un ân bisschen was extra zum Weglegen bleibt auch noch.« Als sie mein Gesicht betrachtete, schüttelte sie kurz den Kopf wie ein Vogel. »Du hast ja gar keine Kraft nich mehr, kleine Miss. Du kommst am besten rein und setzt dich.«
Ich musste den Kopf einziehen, damit ich hineingehen konnte. In dem winzigen Raum roch es intensiv nach den getrockneten Kräutern, die von den Dachsparren hingen. Er
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