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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Bootes, jedes Knarren und Quietschen, und registrierte eine Bewegung nur, wenn sie nicht in das normale Schema passte. Das war keine Bugwelle gewesen – sie hätte es auch gehört, wenn ein anderes Boot vorbeigefahren wäre; und sie hatte sich vergewissert, dass die Leinen fest vertäut waren. Vielleicht hatte ja einer der Bodenanker sich in der feuchten Erde ein wenig gelockert. Sie würde nachsehen, wenn sie das nächste Mal Holz holen ging, sagte sie sich.
    Die kurze Störung verstärkte jedoch die Unruhe, die sie schon den ganzen Nachmittag über geplagt hatte, und sie beschloss, auf den Wein zu verzichten. Sie wollte einen klaren Kopf behalten – und sie wollte auch nicht wirr klingen, wenn Roger zurückrief. Also schaltete sie stattdessen den Wasserkocher ein, gab eine halbe Zitrone in Scheiben zusammen mit etwas Ingwer in einen Teebecher und goss kochendes Wasser darüber. Der Duft dieses hausgemachten Gebräus war immer besser als sein Geschmack, und sie hielt sich den dampfenden Becher unter die Nase, als sie zurück in den Salon ging.
    Im Ofen brannte ein munteres Feuer, und das Buch von Tom Rolt, das Roger ihr geschenkt hatte, lag aufgeschlagen auf dem Couchtisch. Aber kaum hatte sie es sich auf dem Sofa bequem gemacht und das Buch zur Hand genommen, da drifteten ihre Gedanken wieder ab.
    Sie hatte selbst zwar nie Kinder gehabt, hatte aber jahrelang mit jungen Menschen gearbeitet und dabei ein feines Gespür für ihre Probleme entwickelt. Gestern hatte sie sich zu Kit hingezogen
gefühlt, wenngleich sie hinter all seiner Freundlichkeit eine Reserviertheit gespürt hatte, die eher zu einem Erwachsenen als zu einem Jungen seines Alters zu passen schien. Aber heute hatte sie das deutliche Gefühl gehabt, dass da irgendetwas nicht stimmte – eine sehr ungesunde Dynamik zwischen den drei Jugendlichen. War es nur auf den pubertären Testosteron-Überschuss zurückzuführen? Das Mädchen – Kits Cousine, wie er gesagt hatte – war von einer puppenhaften Schönheit, und sie hatte jenen gehetzten Blick, den Annie von traumatisierten Kindern kannte. Vielleicht wetteiferten die Jungen ja um die Rolle ihres Beschützers – und da war die Katastrophe natürlich schon vorprogrammiert.
    Aber was immer es sein mochte, sagte sie sich, es war nicht ihr Problem. Sie hatte genug zu tun mit dieser anderen unmöglichen Situation, in die sie sich hineinmanövriert hatte. Für die Wains hatte sie getan, was sie konnte; jetzt musste sie die Sache endlich vergessen.
    »Sind Sie sicher, dass sie sterben muss?«, hatte sie Althea Elsworthy gefragt, als sie auf dem Parkplatz in Barbridge gestanden hatten.
    »So sicher, wie man sich nur sein kann ohne adäquate Diagnosemethoden«, hatte die Rechtsmedizinerin barsch erwidert. »Erst fragen Sie mich nach meiner Meinung, und dann wollen Sie sie nicht akzeptieren?«
    »Nein, ich …«
    Dr. Elsworthy schüttelte den Kopf. »Nein, es tut mir leid. Mir gefällt das ja auch nicht. Es besteht noch eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Herztransplantation überleben könnte. Immer vorausgesetzt, dass sie trotz des MSS-Eintrags in ihrer Patientenakte auf die Warteliste kommt und dass sie so lange durchhält, bis ein Spenderherz zur Verfügung steht. Und die Vorbedingung wäre natürlich, dass sie und ihr Mann bereit sind, sich dem System anzuvertrauen. Wir können
niemanden zwingen, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.«
    Das nicht, dachte Annie jetzt; aber sollte sie nicht doch noch ein letztes Mal versuchen, Rowan und Gabriel Wain dazu zu überreden, sich in medizinische Betreuung zu begeben? Sie hatte sich einzureden versucht, dass sie sich von allem frei machen könne, dass der Rückzug in die Isolation sie gegen den Schmerz immun machen würde, doch sie hatte den Frieden, den sie suchte, nicht gefunden. Vielleicht musste sie ja zu der Erkenntnis gelangen, dass es so etwas einfach nicht gab. Und wenn sie aufhörte, nach Vollkommenheit zu streben, könnte sie dann vielleicht einen Neustart wagen und wieder festen Boden unter die Füße bekommen?
    Der Gedanke entlockte ihr ein Lächeln. Roger, der Vollblut-Journalist, hätte ihr wahrscheinlich gesagt, dass man Metaphern besser den Profis überlassen sollte. Sie nippte an ihrem Getränk, das inzwischen abgekühlt war, und verzog das Gesicht, als sie die saure Zitrone schmeckte. In diesem Moment klingelte ihr Handy, und sie registrierte überrascht, wie ihr Herz vor banger Erwartung pochte, als sie das Gespräch annahm.
    »Zwei

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