So will ich schweigen
und sahen ihn verblüfft an. Wenn niemand etwas sagte, wenn sie auf der Stelle umkehrten, könnte er vielleicht …
Es war zu spät. Die Hecktür des Boots schwang auf, und Annie Lebow kam heraus, in der Hand eine Stofftragetasche für Brennholz. Während sie nach den Holzscheiten griff, die sauber gestapelt auf dem Bootsdach lagen, fiel ihr Blick auf die drei Jugendlichen, die auf dem Leinpfad standen. Sie lächelte
ein wenig zögerlich. Das Grün ihrer Augen hob sich klar gegen den grauen Himmel und ihre ebenso graue Fleecejacke ab, und ihr kurzes blondes Haar war zerzaust, als sei sie in Gedanken mit den Fingern durchgefahren. »Hallo«, sagte sie. »Kit, nicht wahr?«, fügte sie hinzu, während sie ein paar Holzscheite in die Tragetasche legte.
»Sie sind weitergefahren!«, platzte Kit heraus, um sich gleich darauf insgeheim einen Vollidioten zu schimpfen. Jetzt musste sie denken, er hätte nach ihr gesucht – als wäre er einer von diesen Stalkern.
»Oh … ja.« Sie klang verwirrt, als hätte sie sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht. »Das war ein Tages-Liegeplatz, und in Barbridge war alles belegt. Das habe ich gestern zu erwähnen vergessen. Tut mir leid, wenn du nach mir gesucht und mich nicht gefunden hast.«
»Nein.« Kit sah eine Möglichkeit, sich aus der Verlegenheit zu retten. »Nein, wir haben … etwas mit der Familie unternommen.« Etwas verspätet fügte er hinzu: »Das ist meine Cousine Lally. Und das ist Leo. Wir sind bloß hier spazieren gegangen, und da haben wir Ihr Boot gesehen.«
Annie musterte die drei. »Ihr seid ja ganz nass. Und es ist schrecklich kalt. – Wollt ihr nicht reinkommen?«, fügte sie hinzu, doch Kit konnte hören, dass es sie ein wenig Überwindung kostete.
Er stellte sich vor, wie sie alle drei mit ihren feuchten, dampfenden Klamotten in der engen Kabine der Horizon hockten, während er sich mühte, Konversation zu machen, und schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Wir müssen zurück. Aber …«
»Du könntest morgen vorbeikommen. Das Wetter soll wieder besser werden. Ich werde entweder hier sein oder in Barbridge. Ich muss noch … etwas erledigen.« Sie klang, als ob das sie überraschte.
»Okay, alles klar.« Kit hob linkisch die Hand zum Gruß.
»Also, bis dann.« Hastig packte er Lally am Jackenärmel und zog sie in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Leo konnte schauen, wo er blieb, dachte er sich.
Aber gleich darauf hörte er schon Schritte und das Rascheln von Stoff hinter sich, und dann legte sich ein Arm schwer um seine Schultern.
»Na, hast wohl’n geiles Date gehabt, wie?«, flüsterte Leo. Kit spürte seinen warmen Atem im Ohr. »Bisschen alt für dich, findest du nicht? Oder macht das die Sache noch interessanter?« Als Kit ihn abzuschütteln versuchte, drückte Leo noch fester zu. »Ich finde, du musst uns alles darüber erzählen.«
Es läutete am anderen Ende. Der Ton klang blechern und fern aus dem Handy an Annies Ohr. Sie stellte sich das Haus vor, malte sich aus, wie Roger fluchend von seinem Laptop aufstand und das schnurlose Telefon suchte, das er mal wieder verlegt hatte. Aber vielleicht hatte er sich ja geändert: Vielleicht war er ja nicht mehr so chaotisch, nicht mehr so besessen von seiner Arbeit, seit sie nicht mehr im Hintergrund wirkte.
Aber nach einer Weile sprang der Anrufbeantworter an, und sie legte auf. Sie wollte keine Nachricht hinterlassen – Roger würde ihre Nummer auf dem Display sehen, und nur zu sagen »Ruf mich an«, kam ihr irgendwie albern und überflüssig vor. Er würde sie zurückrufen – das tat er immer, auch wenn sie sich manchmal fragte, warum er das eigentlich tat.
Der trübe Tag war unmerklich in die Nacht übergegangen, und Annie hatte sich nicht dazu aufraffen können, irgendetwas Sinnvolles anzupacken. Unvermutet hatte sie den Wunsch verspürt, mit ihrem Mann zu sprechen, als ob es ihr helfen könnte, ihr Gefühlschaos zu ordnen. Jetzt aber merkte sie, dass sie gar nicht recht wusste, was sie ihm eigentlich sagen wollte. Es war ihr noch nie leicht gefallen, sich anderen anzuvertrauen
– das war einer der Gründe, weshalb sie sich getrennt hatten. Wieso hatte sie geglaubt, das würde jetzt plötzlich anders sein?
Sie schlenderte vom Salon in die Kombüse und nahm eine angebrochene Flasche australischen Chardonnay aus dem Kühlschrank. Doch als sie nach einem Glas griff, spürte sie, wie das Boot sich ganz leicht bewegte, und hielt verwirrt inne. Sie kannte alle Macken des
Weitere Kostenlose Bücher