Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
Punkt acht, eine Zeit, zu der er normalerweise selbst den Dienst angetreten hätte – doch nach der dritten Nacht, die er bibbernd auf dem Sofa verbracht hatte, war er nicht gerade taufrisch.
    »Hat die Leitstelle Sie nicht angerufen?«
    Jetzt war er hellwach. »Nein. Was ist passiert?«
    »Wieder eine Leiche am Kanal. Eine Frau.«
    Babcock musste sofort an sein gestriges Gespräch mit Kincaid denken, an ihre Spekulationen über das Schicksal der Mutter des Kindes. »Begraben?«

    »Nein.« Jetzt klang Larkin vollkommen verwirrt. »Sie lag neben dem Leinpfad. Sieht aus, als hätte ihr jemand mit einem stumpfen Gegenstand eins über den Schädel gezogen. Der Junge, der sie gefunden hat, konnte sie als eine gewisse Annie Lebow identifizieren, die Besitzerin eines Kanalboots. Aber es ist schon merkwürdig, dass der Tatort ganz in der Nähe des Stalls liegt, wo wir das Kind gefunden haben. Ein Stück weiter Richtung Barbridge, wenn ich es richtig verstanden habe.«
    »Wie kommt man da hin?«, fragte er barsch. Noch während er den Schock verdaute, stellte sein Gehirn bereits logistische Überlegungen an.
    »Der Constable sagt, wir müssen über Barbridge fahren. Ich bin schon fast in Nantwich, Chef. Soll ich …«
    »Nein, danke. Ich fahre selbst.« Babcock war einmal bei Larkin mitgefahren und hatte beschlossen, eine Wiederholung dieser Erfahrung unter allen Umständen zu vermeiden. Sie fuhr ihren VW, als wolle sie einen neuen Rekord in Le Mans aufstellen. Wenn hier jemand das Tempolimit ignorierte, dann er mit seinem BMW und sonst niemand. »Was ist mit Rasansky?«
    »Ist noch nicht aufgetaucht.« Larkin konnte ihre Befriedigung nicht ganz verbergen.
    »Gut«, sagte er. »Ich rufe ihn von unterwegs an. Wir sehen uns am Tatort.« Er legte auf. Nach kurzer Überlegung beschloss er, sich die Zeit zum Umziehen zu nehmen. Mit einem Hugo-Boss-Anzug am Kanalufer herumzustapfen, war wohl nicht so das Wahre.
    Eine knappe halbe Stunde später, wesentlich passender in Jeans, Stiefel und einen mit Fleece gefütterten Ledermantel gekleidet, bog er mit seinem schwarzen BMW auf die Dorfstraße von Barbridge ab und bremste auf Schrittgeschwindigkeit herunter, um nach einem Parkplatz Ausschau zu halten. Die Straße war auf beiden Seiten mit Streifenwagen und den
Autos der bereits zahlreich erschienenen Schaulustigen zugeparkt, ebenso die Parkbucht nahe der kleinen gewölbten Brücke. Er entdeckte Larkins grünen Jetta, rotzfrech mit zwei Rädern auf dem Rasen eines Anwohners geparkt, fuhr aber weiter und fand einen Platz hinter dem Pub.
    Immerhin schien es ein halbwegs passabler Tag zu werden, dachte er, als er den Wagen abschloss und über die Straße zurückging. Falls die blasse Sonne sich halten könnte. Es gab kaum etwas Unangenehmeres, als bei Regen oder Schnee einen Tatort sichern zu müssen.
    Das Pub hatte noch nicht geöffnet; mit seinen verriegelten Türen und Fensterläden wirkte es tot und verlassen, wie solche Lokale es immer taten, auch wenn sie nur für ein paar Stunden geschlossen hatten. Das galt jedoch nicht für die anderen Häuser in der Straße, deren Bewohner vor ihren Haustüren und in ihren handtuchgroßen Vorgärten standen, viele noch in Morgenmantel und Schlappen, und neugierig den Aufmarsch der Gesetzeshüter verfolgten.
    Zweifellos hatte schon mindestens einer dieser besorgten Anwohner die Presse informiert – es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Geier anrückten. Babcock blieb stehen, um ein paar Worte mit dem Constable zu wechseln, der den Zugang zum Spielplatz der Gaststätte und der Kanalbrücke bewachte. Er wies ihn an, einen Streifenwagen an der Abzweigung von der Hauptstraße zu postieren und den Zufahrtsweg zum Pub zu sperren. Zum Glück endete der Weg rund fünfzig Meter hinter dem Pub in einer Senke. Von dort gelangte man über eine steile Böschung auf den Leinpfad, der Barbridge mit der Middlewich Junction verband.
    Als Babcock sich umdrehte, sah er Larkin über die Brücke kommen. Sie hatte den Arm um die Schultern eines Jungen gelegt, der einen zottigen braunen Terrier trug. Es hätte ein nettes Familienbild sein können, dachte Babcock, aber nur, bis
er das Gesicht des Jungen aus der Nähe gesehen hatte. Ein gut aussehender Bursche, vielleicht zwölf oder dreizehn, schlank und fast so groß wie Larkin, mit zerwühlten blonden Haaren. Aber seine Haut zeigte die beinahe durchscheinende Blässe des Schocks, und seine Pupillen waren so geweitet, dass Babcock die Farbe seiner Augen nicht

Weitere Kostenlose Bücher